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„Onlinedating führt zu einer besseren Gesellschaft“

© Max Dauven 0 1 #7

Wie Tinder & Co unsere Gesellschaft prägen

Onlinedating hat für viele noch immer etwas Anrüchiges. Die beiden Forscher Josue Ortega aus Mexiko und Philipp Hergovich aus Österreich haben zwei Gründe, das schlechte Image von Dating-Apps zu überdenken: Beziehungen, die online beginnen, halten länger. Außerdem würde Onlinedating unsere Gesellschaft liberalisieren, sagen sie.

Herr Hergovich – sind Sie eigentlich auf Tinder?

Nein.

Dabei haben Sie und Ihr mexikanischer Kollege Josue Ortega von der Universität Essex doch herausgefunden, dass Paare, die sich auf Tinder kennenlernen, wesentlich längere Beziehungen führen.

(lacht) Ja, das stimmt, aber ich befinde mich schon in einer glücklichen Beziehung. Allerdings haben wir tatsächlich herausgefunden, dass Menschen, die im Internet zueinanderfinden, solidere Beziehungen führen, die länger halten, als Menschen, die ihre Beziehungen in der analogen Welt beginnen. Ehen, die aus Onlinebekanntschaften entstehen, werden seltener geschieden, und die Ehepartner sind außerdem zufriedener mit ihrer Beziehung. Uns ist das Phänomen zunächst in unseren privaten Freundeskreisen aufgefallen, als sich immer mehr Menschen Dating-Apps installiert haben. Deshalb haben wir zuerst einmal ein theoretisches Modell erstellt. Das heißt, wir haben Gesellschaftsmodelle simuliert und uns angeschaut, was passiert, wenn sich die Individuen in diesen simulierten Gesellschaften über das Internet kennenlernen. Dadurch konnten wir zwei Vorhersagen machen – und eine dieser Vorhersagen ist die Theorie, dass Beziehungen länger halten, wenn sich das Paar im Internet kennengelernt hat.

„Menschen, die im Internet zueinanderfinden, führen solidere Beziehungen“

Und in der Praxis?

In der Praxis hat sich das bestätigt. Wir haben unsere Modelle auf Daten einiger amerikanischer Studien übertragen. Und tatsächlich hat sich unsere Prognose als korrekt erwiesen.

Ist Tinder zu Unrecht als Medium für schnellen und unkomplizierten Sex verrufen?

Sicherlich wird auf Tinder auch viel ausprobiert, und wahrscheinlich geht das auch schneller als offline. Aber das haben wir nicht untersucht, sondern uns nur auf die längerfristigen Beziehungen konzentriert. Unabhängig von der Frage, ob sich Onlinedating für schnellen Sex eignet, glauben wir, dass es auch zu besseren Langzeitbeziehungen führt.

Wie erklären Sie sich das?

Im Wesentlichen ist unsere Erklärung, dass die Auswahl der potentiellen Partner größer ist, wenn man online sucht. Anders gesagt: Im Internet suchen ist wesentlich effektiver. Wenn Sie analog suchen, also nur auf der Arbeit, im Freundeskreis oder von mir aus in einer Bar, dann ist die Chance, den Richtigen zu finden, ganz einfach gerechnet wesentlich geringer, weil Ihnen ein viel kleinerer Pool von Leuten zur Auswahl steht. Wenn Sie dagegen auf Partnerbörsen im Internet suchen, dann steht Ihnen eine viel größere Auswahl zur Verfügung und dann sind sie auch noch alle Single.

Ist es bei der Auswahl denn nicht schwerer, den wirklich Richtigen zu finden?

Natürlich ist das schwer, genau wie im analogen Leben. Aber wir glauben, dass ein größeres Angebot auch zu einem besseren Überblick über den Markt führt. Außerdem sind ja viele Leute nicht deshalb Single, weil sie zu viele Leute kennen, die mögliche Partner sein könnten, sondern weil sie niemanden kennen, der infrage kommt. Wenn sie ein größeres Angebot an Partnern haben, dann trauen sich die Menschen auch länger zu suchen, um wen zu finden, der wirklich gut passt.

Das klingt ja sehr nach der Theorie des freien Marktes.

Ich selber bin von Haus aus Ökonom und ja: In unserer Theorie gibt es durchaus Überschneidungen mit Markttheorien.

Sehr romantisch klingt das aber nicht. Nimmt Ihre Theorie der Liebe nicht alle Magie und degradiert sie zu einer sterilen Wahrscheinlichkeitsrechnung?

Ach, die Magie der Liebe. Die möchte ich überhaupt nicht infrage stellen. Ich glaube sehr wohl an das Magische in romantischen Beziehungen, aber ich glaube eben nicht daran, dass das in irgendeiner Weise mit der Art zusammenhängt, wie Leute sich kennenlernen. Die Magie der Liebe, wie Sie so schön sagen, findet doch dann statt, wenn Menschen sich schon kennengelernt haben und wenn diese Menschen dann miteinander eine Beziehung leben. Das ist bei Beziehungen, die online beginnen, genau das gleiche wie bei denen, die offline beginnen. Ich sehe überhaupt nicht, was unromantisch daran sein soll, wenn man die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Menschen einen anderen Menschen finden, mit dem sie dieses magische Gefühl teilen können.

Und wenn ich jemanden habe, mit dem ich dieses Gefühl teile, dann weiß ich: Auf Tinder warten noch andere tolle Partner auf mich. Torpediert das enorme Angebot unsere Fähigkeit, sich auf einen Partner einzulassen?

Das konnten wir nicht untersuchen. Andersherum könnte man aber auch vermuten, dass man sich mehr Mühe gibt, weil man weiß, dass der Partner auch sehr schnell wieder jemand anderen finden kann.

Sie hatten noch eine zweite These: Onlinedating führt zu durchmischteren Gesellschaften.

Genau. Auch diese These konnten wir in der Empirie bestätigen. Der Grund dafür ist, dass Sie offline immer in den gleichen Communities suchen. Wenn Sie am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis nach Partnern suchen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie nur auf Menschen stoßen, die den gleichen sozioökonomischen Hintergrund haben wie Sie. Gerade bei Plattformen wie Tinder werden die potentiellen Partner einander nach einem mehr oder weniger zufälligen Prinzip zugeordnet. Das führt dazu, dass sich mehr Paare finden, bei denen die Partner unterschiedliche Hintergründe haben, und die sich in der analogen Welt nicht über den Weg gelaufen wären oder gar eine Beziehung miteinander eingegangen wären. Im Ergebnis kann das eine Gesellschaft egalitärer machen.

Und ein Bankkaufmann hat keine Vorurteile gegenüber einem Punker oder umgekehrt, wenn sie sich online treffen?

Das stimmt schon: Vorurteile sind ein gewisses Hindernis. Andererseits zeigen Untersuchungen, dass Menschen in Dating-Situationen ihre Vorurteile schneller ablegen. Ein Forscherteam mit Wissenschaftlern von der Columbia University, der University of Chicago und aus Stanford hat in einer Studie herausgefunden, dass Menschen beim Speeddating ihre Vorurteile gegen Menschen aus anderen Kulturkreisen nach der ersten Scheu ganz schnell überwinden. Man muss nur eben die Chance bekommen, mit jemandem aus einem anderen Kulturkreis in Kontakt zu treten. Und diese Chance bekommt man beim Onlinedating häufiger als im analogen Leben.

Tinder als Totengräber rassistischer Gesellschaften?

Naja, Sie haben schon Recht: Bei dieser These muss man vorsichtig sein. Zum einen wird Onlinedating vor allem von Menschen verwendet, die selbst liberaler sind, also ohnehin weniger zu rassistischen Vorurteilen neigen. Zum anderen nimmt die Zahl der multikulturellen Beziehungen seit Jahren zu, ohne dass wir das eindeutig dem Onlinedating zuschreiben können. Onlinedating und durchmischtere Gesellschaften korrelieren also. Einen kausalen Zusammenhang können wir nicht eindeutig nachweisen. Wir überlegen aber gerade, ob wir dieses mittels Experimenten überprüfen können.

Kann digitales Daten auch dabei helfen, gesellschaftliche Rollenbilder zu modernisieren?

Grundsätzlich glauben wir, dass mehr Menschen miteinander interagieren, die vorher nicht die Chance dazu hatten. Also könnte es durchaus sein, dass Menschen miteinander eine Beziehung eingehen, die sie analog nicht begonnen hätten. Etwa eine ältere Frau und ein jüngerer Mann. Dabei muss man aber natürlich immer auch sagen, dass die Entscheidung, ob es zu einer Beziehung kommt oder nicht, eine individuelle Entscheidung ist.

Wie sieht es denn mit den berühmten Filterblasen aus, finden wir sie auch beim Dating?

Oh ja! Das bedroht natürlich unsere These vom Onlinedating und den durchmischten Gesellschaften. Wenn sich wohlhabende Menschen auf der einen Plattform anmelden und weniger wohlhabende auf der anderen, dann wirkt das einer Durschmischung natürlich entgegen. Interessanterweise sind solche Datingplattformen, in denen sich Menschen segregieren, aber in der Minderheit.

Wieso eigentlich?

Das liegt am sogenannten Netzwerk-Effekt. Den kennen wir auch von anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter. Denn wenn viele Leute auf Facebook sind, dann ist es auch für den Einzelnen sinnvoll, sich auf Facebook anzumelden und nicht etwa auf Studi-VZ, weil all seine Freunde auch auf Facebook sind. Soziale Netzwerke haben darum eine gewisse Tendenz, monopolisierte Märkte zu bilden, und das gilt nach allem, was wir bisher wissen, auch für Datingplattformen.

„Viele Bereiche unseres Lebens verlagern wir ins Internet. Wieso sollte unser Liebesleben eine Ausnahme sein?“

Ein Drittel der heterosexuellen Paare findet sich über Onlinedating, für homosexuelle Paare ist es sogar mit Abstand der häufigste Weg, sich kennenzulernen. Kulturpessimisten halten das für einen gesellschaftlichen Rückschritt.

Solche Aussagen halte ich für unsinnig. Alles, was den Menschen hilft, zusammenzufinden und sich zu lieben, ist doch ein Fortschritt. Wie Sie schon gesagt haben, hat sich die Chance für homosexuelle Paare wesentlich erhöht, einen passenden Partner zu finden. Früher, vor dem Onlinedating, war das noch wesentlich schwieriger, und ich denke, das allein ist schon etwas sehr Positives. Ich glaube nicht, dass eine Beziehung deshalb romantischer ist, weil sich die Partner romantisch kennengelernt haben, sondern weil die Partner gut zusammenpassen. Im Übrigen glaube ich, dass die Zahl der Paare, die sich über das Internet kennenlernt, noch zunehmen wird. Viele Bereiche unseres Lebens verlagern wir ins Internet. Wieso sollte unser Liebesleben eine Ausnahme sein?

Dating-Apps sind also mehr als ein Hype?

Definitiv! Natürlich werden sich Menschen auch in Zukunft noch offline kennenlernen, aber Onlinedating wird ganz natürlich immer weiter an Relevanz gewinnen. Ganz einfach, weil wir seit Jahren die Tendenz haben, mehr Zeit mit unseren Handys und Laptops zu verbringen und weniger vor die Tür gehen. Viele andere Bereiche des Lebens, wie etwa das Einkaufen, werden deshalb auch immer weiter ins Internet verlagert. Ich sehe nicht, weshalb unser Liebesleben da eine Ausnahme bilden sollte.

Haben Ihre beiden Thesen, dass Onlinedating solidere Beziehungen hervorbringt und es zu gemischteren Paaren führt, einen gemeinsamen Nenner?

Ja, wenn man so will, führt Onlinedating unterm Strich zu einer besseren und liberaleren Gesellschaft.

Stellt sich hier nicht die Frage nach der Henne und dem Ei?

In der Tat können wir bei der liberalisierenden Kraft von Onlinedating keine klare Kausalität nachweisen, sondern eher eine Korrelation. Gesellschaften, die liberal sind, tendieren auch eher dazu, Onlinedating zu tolerieren.

Lässt sich die These, dass Digitalisierung und Offenheit miteinander einhergehen, auch auf andere Bereiche unseres Soziallebens übertragen?

Ja, mit Einschränkung schon. Sicher kann man unsere Erkenntnisse nicht eins zu eins auf andere Formen der Digitalisierung übertragen. Aber grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit der Digitalisierung auch andere Bereiche unseres Soziallebens effektiver gestaltet werden und soziale Beziehungen denkbar sind, die früher kaum möglich waren. Mittels sozialer Medien können wir heute zum Beispiel eine Fernbeziehung über Kontinente hinweg führen und am Leben einer Person teilnehmen, die wir nur selten persönlich sehen. Aber natürlich gibt es auch hier Kräfte, die dem entgegenwirken.

Welche Kräfte sind das?

Die berühmten Echokammern oder Blasen, in denen viele von uns zu leben scheinen. Denn theoretisch hat das Internet die Kraft, Menschen aus völlig unterschiedlichen Schichten oder mit unterschiedlichen Meinungen oder aus anderen Regionen der Welt miteinander zu vernetzen und sie zum Austausch zu bringen. Doch die Algorithmen vieler sozialer Netzwerke verhindern das und lassen einen zunehmend nur mit seinesgleichen in Kontakt treten. Hier wäre es spannend herauszufinden, welche Kraft stärker ist. Wie ich eben schon gesagt habe, kann man diese Tendenz schon bei einigen Datingplattformen wiedererkennen.

Elitepartner.de zum Beispiel.

Ganz genau. Sollten sich solche Plattformen durchsetzen, ist es mit der egalisierenden Kraft des Onlinedatings natürlich dahin. Aber für den Moment muss man noch immer sagen, dass Onlinedating uns anscheinend einen großen gesellschaftlichen Mehrwert erbringt.

„Das Digitale sollte ein Mittel sein und nicht der Zweck“

Wo ist die Grenze? Welche Teile unseres Soziallebens sollten wir besser nicht ins Internet verlagern?

Ich glaube, dass die Grenze immer dann erreicht ist, wenn wir unsere Zeit nur noch am PC verbringen. Im besten Fall haben soziale Netzwerke wie auch Datingplattformen die Möglichkeit, unser analoges Sozialleben zu bereichern, also quasi als eine Art Stütze zu dienen. Das Digitale sollte ein Mittel sein und nicht der Zweck.

Das Interview führte Yves Bellinghausen.

Digitalisierung und Onlinedating

Philipp Hergovich ist Ökonom und lehrt an der Universität Wien. Zusammen mit seinem Kollegen Josue Ortega der Universität Essex untersuchte er, wie sich Onlinedating auf Gesellschaften auswirkt.

Three Editorial Book Recommendations on Space

@Stefan Keller/Pixabay

DE

In unserer aktuellen fortytwo-Ausgabe haben wir das Weltall aus vielen verschiedenen Winkeln in den Blick genommen: Wir haben über ethische Fragen, Rohstoffabbau und Phänomene der Astrophysik gesprochen. Über den echten Krieg der Sterne und den in der Literatur; darüber, was wir von Astronauten für den Umgang mit der Corona-Pandemie lernen können. Zu drei unserer Interviews haben wir nun weiterführende Buchtipps zusammengestellt – damit ihr auch über unsere Ausgabe #5 hinaus spannende Anregungen zum Weltraum findet:

Science Fiction Tweets 

Es gibt endlos viele große Science-Fiction-Werke. Im Interview mit dem amerikanischen Medientheoretiker Alan Shapiro sind wir in unserer Weltraum-Ausgabe der Frage nachgegangen, was sie so beliebt macht – und wieso sie so viel Raum für Utopien bieten.

Wer aber denkt, dass Science Fiction Romane immer eine gewisse Länge haben müssen, wird bei der Lektüre von Micro Science Fiction eines Besseren belehrt. In Kurzgeschichten, manchmal nicht länger als einen Satz, führt uns der britische IT-Spezialist O. Westin den Irrsinn unserer Gesellschaft auf manchmal komische, manchmal ernste Art, jedenfalls immer kurz und prägnant vor Augen.

„Aus Sicherheitsgründen wurden die Roboter so programmiert, dass Ethik für sie an erster Stelle stand. Als sie merkten, dass ihre Energie aus Kohlekraftwerken kam, schalteten sie sich alle ab“.

Diese und weitere komprimierte Mini-Stories regen die Leser:innen von Micro Science Fiction zum Nachdenken an und offenbaren oft erst nach mehrmaligem Lesen ihre philosophische Bedeutung.

O. Westin veröffentlicht seine minimalistischen Science Fiction Geschichten seit 2013 auf dem Twitter-Account @MicroSFF, wo sie mehr als  90.000 Follower verfolgen. 2019 erschien sein Buch mit 365 Kurzgeschichten, die von Birthe Mühlhoff aus über 1000 Tweets ausgewählt und ins Deutsche übersetzt wurden.

Von Neele Mühlhoff

Micro Science Fiction
O. Westin
189 Seiten
Verlag: Talos Verlag; Mikrotext

@Microtext
@Microtext

Kriege im All

Kriege im All waren lange Zeit ein Thema, das allein der Science Fiction vorbehalten war. In den vergangenen Jahren aber hat sich das verändert: Das All wird mit der Gründung von Weltraum-Streitkräften immer konkreter zu einem Kriegsschauplatz. In unserer aktuellen Ausgabe erklärt Sebastien Moranta vom European Space Policy Institute, welche Ambitionen die Großmächte im All haben – und wie greifbar ein militärischer Konflikt dort oben ist.

Wer sich mit dieser Bedrohung vorerst lieber ausschließlich in fiktiver Form auseinandersetzen möchte, dem sei „Das große Spiel” oder „Enders Spiel” empfohlen. Orson Scott Cards Roman sein gehört zu den Klassikern des Genres.

Im Zentrum der Handlung steht der sechsjährige Ender, an dem die Regierung sowie die internationale Raumflotte großes Interesse zu haben scheinen. Was folgt, ist Enders Ausbildung fernab von der Erde und seiner Familie, welche ihn in den Mittelpunkt der galaktischen Auseinandersetzung stellt.

„Und es gibt Zweifel an ihm. Er ist zu formbar. Zu bereit, sich in den Willen eines anderen zu versenken.”

„Das große Spiel” schafft es, gleichzeitig als Eskapismus und Gesellschaftskritik zu funktionieren, und erinnert uns in diesen schwierigen Zeiten daran, dass wir immerhin nicht Gefahr laufen, von insektoiden Außerirdischen angegriffen zu werden. Das Weltall eignet sich immer noch bestens dafür, unseren eigenen Planeten zumindest gedanklich für eine Weile zu verlassen.

Von Laura Emily Schulze 

Das große Spiel
Orson Scott Card
464 Seiten
Verlag: Heyne Verlag

@Macmillan

Der Weg des Mondes

Wieso übt der Mond, unser all-abendlicher Begleiter am Himmel, eine so große Faszination auf uns aus? Im Gespräch mit Gloria Meynen, Professorin für Medientheorie in Linz, haben wir uns in der aktuellen Ausgabe genauer mit dieser Frage auseinandergesetzt – und mit der Rolle, die er in unserer Kultur spielt. Wer Französischkenntnisse mitbringt, für den ist „La lune est un roman” („Der Mond ist ein Roman”) von Fatoumata Kébé eine tolle Ergänzung zu diesem Thema.

Die französische Astrophysikerin  lädt uns auf eine Reise ein, die die Geheimnisse des einzigen Trabanten unseres Planeten entschlüsselt. Dabei schafft sie es, den Mond mit einer Mischung aus wissenschaftlicher Erklärung und Roman für alle zugänglich zu machen. Kébé verbindet hier ihre beiden Leidenschaften: Astronomie und Pädagogik. Sie erläutert neueste wissenschaftliche Entdeckungen, aber auch die Mythen und Legenden, die sich seit jeher um den Mond ranken.

Das Buch vermittelt Wissen über den Kalten Krieg, den Wettlauf ins All und den Wettlauf zum Mond. Immerhin war die Landung der amerikanischen Raumsonde Apollo 11 im Jahr 1969 den Höhepunkt der Eroberung des Weltraums zwischen 1957 und 1975. Heute kennt jeder die berühmten Worte von Neil Armstrong, dem ersten Menschen, der den Mond betrat:  „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit”.

Der Mond lässt uns träumen, aber er stiehlt uns auch die Träume. Wer hat noch nie den Satz  „Ich habe wegen des Vollmonds nicht gut geschlafen” gehört? Kébé spricht auch ein wenig über den Einfluss, den der Mond auf Tiere und Pflanzen haben kann – und  auf unseren eigenen Körper und Geist. Seine Auswirkungen auf Lebewesen sind jedoch von der Wissenschaft weniger gut erforscht. Der Mond behält also immer ein paar Geheimnisse für sich.

Von Ella Steiner

La lune est un roman (Französisch)
Fatoumata Kébé
190 pages
Verlag: Slatkine

© SLATKINE & CIE

EN

In our current fortytwo issue, we looked at the universe from many different angles: We talked about ethical issues, resource extraction, and phenomena in astrophysics. About fictional star wars and the real-life deal; about what we can learn from astronauts for dealing with the Corona pandemic. We compiled some book recommendations to go alongside three of our interviews – so that you can also be inspired by space beyond our issue #5:

Science Fiction Tweets 

There is an endless catalog of excellent science fiction works. In an interview with American media theorist Alan Shapiro, we explored the question of what makes them so popular – and why they offer so much room for utopias. But if you think science fiction novels always have to be a certain length,  Micro Science Fiction will prove you wrong. In short stories, sometimes no longer than a sentence, the British IT specialist O. Westin shows us our society’s madness in a sometimes funny, occasionally serious way, but always short and concise.

“For safety reasons, the robots were programmed to put ethics first. When they realized that their energy came from coal-fired power plants, they all shut down.”

It might take some time to understand the philosophical meaning of these and other condensed mini-stories.

90,000 followers have been reading O Westin’s minimalist science fiction stories on his Twitter account @MicroSFF since 2013. In 2019, his book was published by Birthe Mühlhoff, who selected 365 short stories out of his 1000 tweets and translated them into German.

Von Neele Mühlhoff 

Micro Science Fiction
O. Westin
189 pages
Verlag: Talos Verlag; Mikrotext

@Microtext
@Microtext

Wars in Space

For a long time, wars in space were a topic reserved solely for science fiction. In recent years, however, this has changed: Space is becoming an increasingly real battleground with the creation of space forces. In our current issue, Sebastien Moranta of the European Space Policy Institute explains which ambitions drive the major powers in space – and how tangible a military conflict is up there.

For those who prefer to deal with this threat exclusively in fictional form for the moment, we recommend “The Great Game” or “Ender’s Game”. Orson Scott Card’s novel is one of the classics of the genre. The plot revolves around six-year-old Ender, whom the government and the International Space Fleet seem to be very interested in. Ender’s eventual military education, away from Earth and his family, places him at the center of a looming galactic struggle.

“And there are doubts about him. He’s too malleable. Too willing to submerge himself in someone else’s will.”

“Ender’s Game” manages to function simultaneously as escapism and social criticism. The story reminds us, especially in these difficult times, that at least we are not in danger of being attacked by insectoid aliens. Space is still the best place to mentally travel to, when in need of some refuge.

Von Laura Emily Schulze

Das große Spiel
Orson Scott Card
464 Seiten
Verlag: Heyne Verlag

@Macmillan

The Path of the Moon

Why does the moon, our constant companion in the sky, hold such great fascination? In this issue’s interview with Gloria Meynen, professor of media theory in Linz, we take a closer look at this question – and the role it plays in our culture. For those with a knowledge of French, “La lune est un roman” (“The Moon is a Novel”) by Fatoumata Kébé is an excellent extension to our current issue.

The French astrophysicist invites us on a journey that unlocks the secrets of our planet’s only naturally occurring satellite. In the process, she manages to make the moon accessible to all with a mix of scientific explanations and literary narration. Kébé combines her two passions here: Astronomy and Pedagogy. She explains the latest scientific discoveries, at the same time as the myths and legends that have always surrounded the moon.

The book provides knowledge about the Cold War, the race into space and to the moon. After all, the landing of the American space probe Apollo 11 in 1969 was the culmination of the efforts to conquest space that lasted from 1957 to 1975. Today, everyone knows the famous words of Neil Armstrong, the first man to walk on the moon: “It’s a small step for a man, but a great leap for mankind.”

The moon makes us dream, but it also steals our dreams. Who hasn’t heard the phrase “I didn’t sleep well because of the full moon”? Kébé goes into the impact the moon can have on animals and plants – just like on our bodies and minds. Its effects on living things, however, are less well explored by science. The moon continues to hold onto a few secrets.

Von Ella Steiner

La lune est un roman (Französisch)
Fatoumata Kébé
190 pages
Verlag: Slatkine

© SLATKINE & CIE

In fortytwo’s Nutshell – January Edition

@Brian McGowan/Unsplash

DE

Wer hätte es gedacht, auch Weltraumagenturen geben im Januar gerne gute Vorsätze bekannt. Und eines ist klar: 2021 wird ein spannendes Jahr für die Raumfahrt. Gleich mehrere Missionen zum Mond und zum Mars stehen dieses Jahr an. Auch wir von fortytwomagazine haben einen guten Vorsatz: euch mit spannenden Weltraum-News zu versorgen. Folgt uns auf Instagram, Facebook, Twitter und LinkedIn!

Weltweiter Wettlauf ins All

Die FAZ hat die Weltraum-Pläne von sieben Weltraumagenturen für 2021 aufgelistet. Während Indien, Japan und Russland den Mond ansteuern, haben China, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate den Mars im Blick. Das chinesische Raumschiff „Tianwen-1“ soll noch vor dem Sommer auf dem roten Planeten landen. Der NASA-Rover „Perseverance“ erreicht den Planeten bereits im Februar. Und auch die Raumsonde der Vereinigten Arabischen Emirate soll sich planmäßig Anfang Februar in die Umlaufbahn des roten Planeten begeben, um unter anderem das Mars-Klima weiter zu erforschen.

Europa setzt auf Erhalt statt auf Expansion

Bei der 13. Europäischen Weltraumkonferenz, die Mitte Januar stattfand, gaben auch die europäischen Weltraumakteure ihre Pläne bekannt. Mit dem Franzosen Thomas Pesquet und dem Deutschen Matthias Maurer werden 2021 gleich zwei europäische Astronauten zur ISS geschickt.

Grundsätzlich liegt der europäische Fokus eher auf dem Ausbau und der Entwicklung bestehender Programme, als auf der weiteren Eroberung des Weltalls. Die französische Tageszeitung La Croix zitiert Nathalie Huret, Direktorin des Observatoire de Physique du Globe de Clermont-Ferrand, die die europäische Weltraumforschung im Vergleich zu China und den USA als „ebenso wichtig, wenn auch weniger spektakulär“ bezeichnet.

Überraschend dunkel

Den Sternenhimmel bewundert man am besten fernab jeder Lichtverschmutzung. Doch auch in unserem Sonnensystem herrscht Lichtverschmutzung. Winzige Partikel reflektieren das Sonnenlicht, genauso wie auch die Erde und die anderen sieben Planeten. Die Raumsonde „New Horizons“ befindet sich derzeit hinter Pluto. Sie hat das innere Sonnensystem und damit auch einen Großteil der Lichtverschmutzung hinter sich gelassen. Auf der offiziellen Webseite des Hubble-Teleskops ist zu lesen, warum die neuesten Messungen von „New Horizons“ Astronomen überraschten: Das Universum sei bis zu zehnmal dunkler als bisher berechnet. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass es ungefähr zwei Billionen Galaxien gibt. Die Dunkelheit deute jedoch eher auf einige hundert Milliarden hin.

EN

Who would have thought it? Even space agencies set good intentions for the year ahead. And one thing is clear: 2021 will be an exciting year for space exploration! Several missions to the Moon and Mars are scheduled for this year. Our new year’s resolution here at fortytwomagazine is to supply you with exciting space news. Follow us on Instagram, Facebook, Twitter, and LinkedIn!

International Space Race

The Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) has compiled the 2021 plans of seven space agencies. While India, Japan, and Russia are headed to the moon, China, the USA, and the United Arab Emirates have their sights set on Mars. The Chinese spacecraft “Tianwen-1” is scheduled to land on the red planet before summer. NASA’s Perseverance rover will reach the planet as early as February. Lastly, the United Arab Emirates’ space probe is also scheduled to enter the orbit of the red planet at the beginning of February, among its goals the further investigation of the Martian climate.

Europe focuses on preservation instead of expansion

At the recent 13th European Space Conference, European space actors announced their plans as well. Two astronauts, Thomas Pesquet from France and Matthias Maurer from Germany, will be sent to the ISS in 2021. In general, the European focus lies more heavily on the expansion and development of existing programs than on the further conquest of space. The French daily newspaper La Croix quotes Nathalie Huret, director of the Observatoire de Physique du Globe de Clermont-Ferrand, who describes European space research as “just as important, if less spectacular” compared to the efforts of China and the USA.

Surprisingly dark

The starry sky is best admired far away from any light pollution. However, there is light pollution even in our solar system. Tiny particles reflect sunlight, as does the Earth as well as the other seven planets. The space probe “New Horizons” is currently traveling behind Pluto. It has left the inner solar system behind and with it much of its light pollution. The Hubble telescope’s official website explains why the latest measurements from “New Horizons” surprised astronomers: The universe is up to ten times darker than previously calculated. So far, scientists have assumed that there are about two trillion galaxies. However, the darkness rather points to some hundred billion.

@Nicolas Lobos/Unsplash

Text by Ella Steiner
Translation by Laura Emily Schulze

DarkmoonArt_de

Wieso glauben wir so gern an Horoskope?

@DarkmoonArt_de 

Das Universum beeinflusst unser Leben. Nehmen wir zum Beispiel die Sonne: Durch die Wärme und das Licht gibt es überhaupt erst Leben auf der Erde. Auch die Länge der Tage, Wochen, Monate und Jahre sind vom Universum und den Sternen bestimmt. Dass Sterne und deren Konstellationen allerdings das Schicksal eines einzelnen Menschen konkret beeinflussen, dafür gibt es keine Beweise. Trotzdem glauben rund 30 Prozent der Deutschen „manchmal“ an Horoskope. Warum sie so beliebt sind und häufig so gut auf unser Leben zu passen scheinen, klären wir heute aus zwei Perspektiven: der psychologischen und der linguistischen.

Psychologische Sicht
Prof. Dr. Hans-Peter Erb ist Professor für Sozialpsychologie an der Helmut-Schmidt Universität der Bundeswehr in Hamburg. Die Sozialpsychologie untersucht, welchen Einfluss menschliches Verhalten auf andere hat. Prof. Dr. Erbs Forschungsinteresse ist zum Beispiel die Urteilsbildung.


Linguistische Sicht
Dr. Katja Furthmann hat ein Studium der Germanistik, Anglistik und Kommunikationswissenschaften absolviert. Es folgte eine Promotion zu der Forschungsfrage: Mit welchen sprachlichen Tricks schaffen es Zeitungshoroskope eigentlich, auf alle und jeden zuzutreffen? Sie beurteilt Horoskope aus der sprachlichen Sicht.

Frau Furthmann, mein Sternzeichen ist Waage. Wie wird mein Horoskop für 2021 wohl formuliert sein?

Furthmann: Mit Sicherheit sehr positiv. Bestimmt werden Sie lesen, dass sich Ihnen große Chancen bieten. Dass Sie zwar mit einigen Herausforderungen zu kämpfen haben werden, vor allem in der ersten Jahreshälfte, aber dass Sie daran wachsen werden und sich auf ein insgesamt vielversprechendes Jahr freuen können – vorausgesetzt natürlich, dass Sie Ihre Chancen auch ergreifen und in allem das richtige Maß wahren.

Jetzt habe ich das Gefühl, das könnte so durchaus stimmen und trifft auf mich zu. Herr Erb, warum ist das so? 

Erb: Dieses subjektive Gefühl lässt sich wissenschaftlich erklären. Die Annahmen, die wir lesen, sind sehr vage. Das führt zum Barnum-Effekt. Dieser Effekt beschreibt, dass Menschen vage und allgemein formulierte Aussagen schnell auf sich übertragen. Das hat mehrere Gründe, zum Beispiel sind die Aussagen wünschenswert formuliert und sprechen allgemeine und weit verbreitete Sorgen an.

Das Zweite ist ein Phänomen, das wir den Confirmation-Bias nennen. Das ist eine Verzerrung bei der Hypothesenprüfung. Das heißt, Menschen neigen dazu, eigene Annahmen und Hypothesen zu bestätigen. Sie suchen nach positiven Beispielen. Aspekte, die gegen die Hypothesen sprechen, werden vernachlässigt.

Ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn ich davon ausgehe, dass Transporter immer besonders schnell fahren, bemerke ich auf der Autobahn immer wieder schnelle Lkw. Dann mache ich immer wieder einen Strich: „Ja das stimmt schon wieder.“ Was wir dabei aber vernachlässigen: Auch andere Autos fahren zu schnell, viele Transporter halten sich an die Regeln. Das ist ein typisches Phänomen.

Welche Auswirkungen hat das auf uns? 

Erb: Das kann uns stark beeinflussen. Wir nennen das eine selbsterfüllende Prophezeiung. Das bedeutet: Wenn wir die Horoskope lesen und sie für glaubwürdig halten, dann richten wir danach unser Verhalten aus. Dann beeinflussen Horoskope wirklich unser Leben, nur anders herum, als Astrolog:innen behaupten: Dinge passieren dann, weil sie vorhergesagt worden sind. Wenn Schüler:innen mitkriegen, die Lehrer:innen erwarten keine tolle Leistung von ihnen, dann werden sie auch selten dagegen ankämpfen.

Horoskope können folglich Einfluss auf unser Leben nehmen wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Welche Themen werden dort besonders häufig angesprochen?

Furthmann: Themen, die für fast alle Menschen alltagsrelevant sind: Beruf, Gesundheit, Partnerschaft. In diesen Bereichen wird ein thematisches Spektrum aufgespannt, das auf ein „gesundes Mittelmaß“ abzielt: Man sollte in allen Bereichen das richtige Maß wahren – weder zu aktiv noch zu passiv sein; seine Bedürfnisse ernst nehmen, aber nicht egoistisch sein; Entscheidungen treffen, aber nichts überstürzen; Sport treiben, aber sich nicht verausgaben. Ein Topos, der einen unerschöpflichen Fundus an Aussagen, Tipps und Ratschlägen bietet – und damit garantiert, dass Horoskope immer wieder anders formuliert werden können und uns trotzdem wohlvertraut erscheinen.

Das sind wichtige Themen. Wieso lesen Menschen gerade dafür Horoskope?

Erb: Horoskope bieten Erklärungen und gewisse Vereinfachungen komplexer Themen. Wir würden die Zukunft gerne verstehen, wir hätten gerne eine Struktur. Und man gibt natürlich auch gerne die Verantwortung an höhere Mächte ab.

Wieso sehen wir ausgerechnet in den Sternen diese Macht? 

Erb: Die Sterne waren lange Zeit extrem wichtig für die Entwicklungen der Menschheit. Für die Ägypter:innen oder Maya beispielsweise. Früher galt Astrologie auch als Wissenschaft und diese Annahme hat in vielen Kreisen überlebt. Außerdem haben Sterne auch etwas Großartiges, Magisches.

Und wegen der Vereinfachungen und der Besonderheiten der Sterne greifen wir dann auf Horoskope zurück?

Erb: Es kommt auch noch was anderes dazu: Wer liest nicht gerne Positives und Schmeichelhaftes über sich? Wir lesen dort positive und schmeichelhafte Sätze. Dadurch haben wir eine gute Erinnerung an Horoskope. Es macht Spaß, so etwas zu lesen.

Was sind dabei die sprachlichen Besonderheiten, die uns ansprechen? 

Furthmann: Pressehoroskopen liegt ein ungeschriebenes Gesetz zugrunde: Sie sprechen ein anonymes Massenpublikum an, suggerieren mit der direkten Ansprache aber einen persönlichen Kontakt zu jedem einzelnen Leser. So allgemein wie möglich und so präzise wie nötig müssen die kurzen Texte verfasst sein. Das scheint paradox, klappt aber, nämlich mit einem geschickten Zusammenspiel von vagen, mehrdeutigen, allgemeingültigen Wörtern, Wortgruppen und Sätzen. So stößt man in Horoskopen auf Formulierungen wie: „eine neue berufliche Aufgabe“, „Herausforderungen im Familienleben“, „eine interessante Begegnung“ oder „ein angenehmer Flirt“.

Sie gleichen begrifflichen „Regenschirmen“, die sich mit ihrer unbestimmten Referenz über eine Vielzahl individueller Lebenskontexte spannen. Jeder findet unter diesem Schirm seinen Platz, weil er die allübergreifenden Formulierungen automatisch beim Lesen auf den eigenen Lebenskontext bezieht. Mit Konjunktionen wie „und“, „oder“, „sowohl ‒ als auch“ wird der Anwendungsbereich sogar nochmals ausgedehnt, sodass Leser:innen aus verschiedensten Möglichkeiten das Passende für sich auswählen kann. Ein Beispiel: „Sie haben ein goldenes Händchen bei allen beruflichen und finanziellen Angelegenheiten. Aber auch in der Partnerschaft können Sie vom Glück verfolgt werden.“

Gibt es sonst noch weitere stilistische Besonderheiten? 

Furthmann: Horoskope setzen auf bildhafte, metaphorische Aussagen und eine Skala der Relativität. Adjektive wie „groß“ und „klein“ sind ein Paradebeispiel: Ist von einem großen Ziel oder einem kleinen Konflikt die Rede, kann sich jeder auf der Größenskala eine passende Position festlegen.

Die allgemeinen und vagen Aussagen von Horoskopen sind folglich zentral. Gibt es weitere Gründe, warum manche Menschen Horoskope für seriös halten? 

Erb: Häufig erscheinen Horoskope irgendwie auch wissenschaftlich. Die Voraussagen werden mit Sternen und deren Konstellationen begründet. Für uns sind diese Sätze gar nicht mehr nachvollziehbar. Zum Beispiel: „Jupiter im Quadrat zum Mars“.

Das klingt professionell. Man schreibt den Autoren:innen eine gewisse Expertise zu. Dadurch glauben wir dem mehr, als wenn jemand einfach nur etwas dahinplappert. Es entsteht eine Pseudo-Wissenschaft. Wissen wird vorgegaukelt.

Das klingt jetzt aber nicht mehr so unterhaltsam. Können Horoskope auch gefährlich werden? 

Erb: Es soll Menschen geben, die süchtig nach Horoskopen geworden sind. Da geht es aber nicht mehr um einfache Zeitungshoroskope, sondern hier geht es in die Richtung einer „Heiler-“ oder „Esoterik-Sucht“. Es sind Menschen, die davon abhängig sind, dass ihnen die Zukunft vorhergesagt wird. Und die geben dafür auch sehr viel Geld aus. Hier hilft wie bei anderen Süchten auch nur noch professionelle Hilfe.

Wer schreibt denn in den Magazinen und Zeitungen die Horoskope?

Furthmann: Das ist unterschiedlich. Manche Zeitschriften beauftragen Astrolog:innen, andere bekommen die Horoskope von Medienagenturen geliefert. Und manchmal wird das Horoskop auch von Redakteur:innen selbst verfasst. Oft ist nicht ganz klar, aus welcher Feder die Texte eigentlich stammen, viele Redaktionen mögen dazu nur ungern Auskunft geben.

Trotzdem sind Horoskope noch ein fester Bestandteil von Zeitschriften und Zeitungen. Wieso?

Furthmann: Das Horoskop behauptet seit Jahrzehnten seinen Platz als Standardrubrik in Publikumszeitschriften. Die Zeitschriften sagen: Unsere Leser:innen fordern das Horoskop ein, wir bedienen ein Leserbedürfnis. Berühmt ist die Geschichte des empörten Leseraufschreis, als eine Zeitschrift mal das Horoskop wegließ. Viele Leser:innen dagegen lesen es einfach, weil es nun mal „da ist“, weil es Neugier weckt und unterhaltsam ist. In jedem Fall dient das Horoskop der Leserbindung – Zeitschriften betonen so den Kontakt zwischen Medium und Leser:innen. Sie liefern einen Moment des Innehaltens, auch der Entlastung.

Die Zukunft können sie aber nicht voraussagen. Gibt es andere Möglichkeiten, an gute Prognosen zu kommen?

Erb: Für gute Prognosen gibt es einige Tipps: Zuerst brauchen wir eine sinnvolle Fragestellung. Es muss genug Indizien dafür oder dagegen geben. Die Frage, werin 70 Jahren Bundeskanzler:in wird, wäre zum Beispiel eine schlechte. Man muss die Frage eingrenzen. Über welche Rubrik des Lebens sprechen wir? Beruf? Sport? Oder Privates?

Außerdem brauchen wir weitere Kriterien. Die Sachlage sollte in Einzelaspekte zerlegt werden. Was ist das Kriterium für einen erfolgreichen Ausgang? Ist mein Ziel zum Beispiel erreicht, wenn ich einen Marathon schaffe?

Darüber sollten die eigenen Prognosen bezweifelt werden, damit man dem Confirmation-Bias entgegenwirkt. Was spricht denn gegen diese Annahme? Werde ich für den Marathon auch trainieren? Beim Sport ist es einfach, beim Beruf wird es schon schwieriger. Da muss man mehr bedenken, zum Beispiel den Zustand der Firma. Die Beziehung mit dem Vorstand etc. Aber wenn man das genau macht, könnten wir der Wahrheit näherkommen als durch das Lesen von Horoskope.

Von Sophia Stahl

In fortytwo’s Nutshell – Jahresrückblick

2020 war in vielerlei Hinsicht ein ereignisreiches Jahr – so auch im Bezug auf das Weltall. Zuschauer weltweit schauten sich den Livestream am 30. Mai an, um den historischen Start des ersten kommerziellen Raumtransports zur ISS mitzuerleben. Der Marsrover Perseverance befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum Mars und die Sonne zeigt sich in neuen Aufnahmen von ihrer besten Seite. Das Wettrennen um die Lokalisierung eines Schwarzen Loches bringt Forscher:innen einen Nobelpreis ein – während Aufnahmen der Europäischen Südsternwarte uns eindrucksvoll das Phänomen der „Spaghettisierung“ zeigen. Und das Forscher- und Ingenieurteam um Opportunity drücken ihre Gefühle für den Marsrover aus, indem sie ihm eine Playlist erstellen.

Mars 2020 – Perseverance

Als die NASA einen Schülerwettbewerb ausrief, um ihren neuen Marsrover zu benennen, konnte die Weltraumagentur noch nicht ahnen, wie sehr sich der gewählte Namen auch auf das  Jahr 2020 anwenden lassen würde. Gewinnen tat der 13-Jährige Alexander aus Virginia; er hatte vorgeschlagen, den Rover “Perseverance” zu nennen – Ausdauer oder Durchhaltevermögen. Beides sind Fähigkeiten, die der Mars Rover auf seinem baldigen Einsatzort durchaus benötigen wird. Perseverance wird am 18. Februar 2021 auf dem Mars erwartet, um dort nach Zeichen früherer Lebensformen zu suchen und Proben zu sammeln.

Eine neue Art des Raumtransports

SPACEX DEMO-2 historischer Start am 30. Mai bedeutete die erste Beförderung von amerikanischen Astronauten ohne russische Hilfe seit 2011. Außerdem hat der Start eine neue Ära der Raumfahrt eingeläutet, in der staatliche Organisationen eng mit dem Wirtschaftssektor zusammenarbeiten. Beide Seiten profitieren von der Kooperation und kombinieren Erfahrungswerte mit innovativen Ideen. So können viele Teile der Mission auch in zukünftigen Projekten wiederverwendet werden und landen beim Start nicht als Müll im Meer. Da Elon Musk hinter der Gründung von SPACEX steht, war es auch kein Wunder, dass die beiden Astronauten im Tesla zum Start gefahren wurden, um dann in futuristischen Raumanzügen die Crew Dragon zu betreten.

Nach vielen Rückschlägen und Verzögerungen sollte die SPACEX DEMO-2 Mission am 27. Mai 2020 am Kennedy Space Center starten, wurde jedoch aufgrund von schlechten Wetterverhältnissen kurzfristig abgesagt. Der erfolgreiche Start fand dann am 30. Mai 2020 statt und die beiden Astronauten kehrten am 2. August von ihrer vollendeten ISS Mission zurück.

Ein Geburtstag und ein Jubiläum

Das Hubble Teleskop verändert durch seine klaren Aufnahmen von weit entfernten Galaxien und Sternen seit 30 Jahren, wie wir das Weltall sehen. Im Rahmen der Hubble Mission hat das Teleskop soweit 1.4 Millionen Observationen durchgeführt. NASA hat einige dieser Aufnahmen auf ihrer Website zusammen getragen. Hoffentlich kann Hubble seinen 60. Geburtstag auch noch feiern und uns Menschen hier auf der Erde weiter faszinieren und inspirieren.

Kürzlich haben wir außerdem (auch in unserer November-Presseschau) 20 Jahre menschliche Präsenz auf der ISS gefeiert. Mit ganz viel Glück werden wir das nächste runde Jubiläum auch noch feiern können, bis die internationale Raumstation in den Ruhestand geschickt wird.

Opportunity, Wake Up!

Es ist schon länger her, dass NASA ein Lebenszeichen von Opportunity erhalten hat – die letzte Kommunikation fand am 10. Juni 2018 statt. Bald wird der neue Rover Perseverance auf dem Mars ankommen, weshalb dies ein guter Moment ist, an die besondere Bindung zwischen Opportunity und den Wissenschaftlern von NASA’s Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Kalifornien zu erinnern. Nach einem besonders schlimmen Staubsturm auf der Marsoberfläche konnte der Rover nicht mehr aus dem Ruhezustand erweckt werden. Das JPL Team begann jeden Marstag mit einem thematisch passenden Lied, dass sie an Opportunity schickten, in der Hoffnung, dass der Rover vielleicht doch noch aufwachen würde. Die Playlist began mit “Wake Me Up Before You Go-Go” und beinhaltet andere Klassiker wie “Rocket Man” und “Here Comes The Sun” und schlussendlich; “I’ll Be Seeing You.” Es bleibt abzuwarten, ob solche Playlists mit Perseverance zu einer Tradition werden.

And the Physics Nobel Prize goes to…

drei Wissenschaftler und ihre Forschung an schwarzen Löchern. Der deutsche Reinhard Genzel ist Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und teilt sich eine Hälfte des Preises mit der Amerikanerin Andrea Ghez, Professorin für Astronomie an der University of California in Los Angeles (UCLA). Die andere Hälfte des Preises geht an den Briten Sir Roger Penrose, einen theoretischen Physiker, welcher in den 60er Jahren Grundlagen zur Erforschung von schwarzen Löchern legte und zeigte, dass “genügend Materie unter realistischen Bedingungen zu Schwarzen Löchern kollabieren kann”. Genzel und Ghez lieferten sich ein Wettrennen um die Lokalisierung eines schwarzen Loches im Zentrum der Galaxis. Zum Glück ist es kein besonders aktives Schwarzes Loch, da unsere Erde “nur” 26000 Lichtjahre entfernt liegt – um die galaktische Ecke sozusagen.

Tod durch Spaghettisierung

Was passiert eigentlich, wenn man einem Schwarzen Loch zu nahe kommt? Grundsätzlich hört das Objekt auf zu existieren, einen Vorgang, den man “Tidal Disruption Event” nennt. Vorher findet aber noch die Spaghettisierung statt. Der Europäischen Südsternwarte (ESO) ist es dieses Jahr gelungen, diesen Vorgang in Teilen mit anzusehen. Spaghettisierung passiert, wenn zum Beispiel ein Stern dem Schwarzen Loch zu nahe kommt und dann durch die extreme Anziehungskraft in Fäden zerrissen wird. Wenn einige dieser Fäden in das Schwarze Loch geraten, wird viel Energie freigesetzt, die dann Lichtblitze loslöst, wie den, den die ESO gesehen hat.

Die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite

Der Solar Orbiter konnte dieses Jahr die bisher genausten Aufnahmen der Sonnenoberfläche liefern. Die Mission ist eine Kollaboration zwischen NASA und der European Space Agency (ESA). Der Orbiter blieb bei den Aufnahmen im Orbit der am nächsten gelegenen Planeten Venus und Merkur und konnte so die verschiedenen “Gesichter” der Sonne aufnehmen. Bemerkenswert sind hier die sogenannten “campfire”, die man klar auf der Oberfläche der Sonne sehen kann. Der Forscher David Long sieht in diesen “campfires” die Erklärung für das Phänomen “coronal heating” welches zeigt, dass die äußere Schicht der Sonne 200-500 mal heißer ist als die restlichen Schichten.

Gut Ding will Weile haben

Zwei Jahre lang hat NASAs Raumsonde OSIRIS-REX den Asteroiden Bennu umkreist, immer im respektvollen Abstand. Die Raumsonde hat zunächst Bennu nur fotografiert und aus der Entfernung untersucht. Dieses Jahr konnte OSIRIS-REX endlich auf der Oberfläche des Asteroiden landen und Proben sammeln. Diese Manöver hat unter anderem deshalb so lange gedauert, da die Raumsonde von der Erde aus schwierig zu steuern ist, jedes Signal braucht etwas eine Viertelstunde, bevor es übermittelt ist. Bennu hat etwa einen Durchmesser von 500m und kreist rund 330 Millionen Kilometer entfernt um die Sonne. Wollen wir hoffen, dass wir Bennu durch die Proben endlich besser kennenlernen können.

Von Laura Emily Schulze

Ein Ausflug in die galaktische Archäologie

@Donald Giannatti/Unsplash

Explodierende Supernovae, sich in andere Galaxien schleichende Sterne – klingt nach Science Fiction? Für Dr. Sven Buder, Research Fellow im Bereich Astronomie und Astrophysik an der Australian National University in Canberra, ist das Arbeitsalltag. Im Rahmen des GALAH-Programmes beschäftigt er sich mit galaktischer Archäologie und Sternphysik. Davor hat er am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg in der Abteilung Galaxien und Kosmologie und im schwedischen Uppsala geforscht. Wir haben mit ihm über die Entstehung und Entwicklung unserer Galaxie, den Zusammenhang zwischen Sternen und Flipperautomaten und die Bedeutung von Spektren in seinem Forschungsgebiet gesprochen.

Sie untersuchen in Ihrer Arbeit die Geschichte von Sternen. Wie kann man sich die Arbeit eines Archäologen im Weltraum vorstellen?

So cool es auch wäre, leider sind wir weder Indiana Jones noch Neil Armstrong. Für unsere „Fossile“ müssen wir zum Glück weder in dunklen Höhlen herumkriechen noch höchstpersönlich zum Mond fliegen, sondern nur in den Nachthimmel schauen. Da die meisten der Sterne und fernen Galaxien, für die wir uns interessieren, sehr weit weg sind, erreicht uns nur ein kleiner Bruchteil ihres Lichtes. Wir benutzen deshalb riesige Teleskope mit bis zu acht Meter großen Spiegeln, um deren Licht einzufangen. Mit verschiedensten Hilfsmitteln, wie Filtern oder Prismen, können wir dann mehr über das Licht der Sterne herausfinden. Beispielsweise wie heiß ein Stern ist oder wie häufig verschiedene Elemente wie Eisen, Titan oder Lithium in dem Stern vorkommen. Es kann einige Zeit dauern, bis uns das Licht der Sterne erreicht: Die Sonne sehen wir beispielsweise mit acht Minuten Verzögerung. Je weiter entfernt die Galaxien von uns sind, desto länger braucht das Licht, um bei uns anzukommen. Bei sehr weit entfernten Galaxien liegt die Verzögerung bei mehreren hundert Jahrmillionen.

Die Entstehung neuer chemischer Elemente in Galaxien nennt man Nukleosynthese. Kurz nach dem Urknall gab es nur Helium und Wasserstoff. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an chemischen Elementen. Wie kam es dazu?

Kurz nach dem Urknall war das Universum noch extrem heiß – mehrere Millionen Grad! – so heiß, dass sich keine Atomkerne bilden konnten. Da sich das Universum aber ausbreitet und kälter wird, konnten mehrere Sekunden nach dem Urknall dann erste Atomkerne von Wasserstoff, Helium und ein kleines bisschen Lithium entstehen. Nur wenige Minuten später war das Universum dann aber schon zu kalt geworden, um schwere Kerne zu synthetisieren. Die schweren Kerne zum Beispiel von Eisen, Blei oder anderen Elementen konnten deshalb erst dann erzeugt werden, wenn es „irgendwo“ wieder heiß genug war – zum Beispiel im Inneren von Sternen, die sich irgendwann aus großen Ansammlungen von Atomkernen heraus bildeten. Dies ist vor allem der Fall, wenn Sterne in hochenergetischen Supernovae explodieren. Bei diesen Explosionen werden unterschiedlich schwere Elemente erzeugt. Wenn wir dann heute die Häufigkeit gewisser Elemente messen, können wir daraus ableiten, welche Art von Explosionen das „Baumaterial“ eines Sterns angereichert haben. Dadurch lässt sich sogar zurückverfolgen, ob ein Stern in unserer Galaxie oder einer anderen geboren wurde.

Die galaktische Archäologie identifiziert also den Ursprung von Sternen anhand ihrer chemischen Signatur und hilft dabei, die Entstehung und Entwicklung der Milchstraßengalaxie zu verstehen. Aber wie genau weist man chemische Elemente in Sternen nach, die so weit von uns entfernt sind?

Man kennt ja das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. In meinem Fachgebiet sagen wir eher „Ein Spektrum sagt mehr als tausend Bilder“. Das Licht, das uns von den Sternen erreicht, können wir mit Prismen in seine Wellenlängen aufspalten. Das ist dasselbe Prinzip wie bei einem Regenbogen, in dem sich das Licht auch in alle seine Farben aufspaltet. Wenn man sich dann dieses Farbspektrum des Sternenlichtes genauer ansieht, kann man winzige Verdunklungen an ganz speziellen Stellen sehen – nämlich genau bei den Wellenlängen (oder Energien), in denen die Elektronen von Atomen oder Molekülen eines Sternes das Licht, das aus seinem Kern kommt, absorbieren.

Je größer das Vorkommen eines gewissen Atoms in einem Stern, desto mehr Licht wird an gewissen Stellen des Sternspektrums absorbiert und wir können daraus die Elemente und ihre Häufigkeiten ableiten. Denn die Elektronen von Atomen oder Molekülen haben ganz gewisse Energien, mit denen sie angeregt werden können. Je mehr Verdunkelungen erkennbar sind, desto häufiger ist das bestimmte Element in dem Stern vorhanden.

https://www.youtube.com/watch?v=2bVGr1MV2-8&feature=emb_logo

“The Rainbow Fingerprints”: So funktioniert das Sternenspektrum

Die Photonen – also das, was bei uns als Licht ankommt –, werden durch Kernfusionen im Inneren des Sterns erzeugt, und bewegen sich durch das Sterneninnere. Dabei stoßen die Photonen an andere Atome, die dabei angeregt werden. Das einzelne Photon wird absorbiert und sofort wieder emittiert. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Flipperautomaten. Die Photonen müssen sich erst durch den Stern bewegen, um herauszukommen. Je mehr Atome von einem Element im Stern vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Photonen mit den Atomen zusammenstoßen. Und dabei werden die Photonen mit einer gewissen Energie bzw. Wellenlänge absorbiert. Das ist dann der Zusammenhang, den wir im Spektrum des Lichts, das bei uns ankommt, beobachten können. Praktisch kann man sich unsere Arbeit folgendermaßen vorstellen: Wir modellieren Sterne mit unterschiedlichen Anteilen chemischer Elemente. Dann wird berechnet, was theoretisch passieren würde, wenn ein Photon aus dem Inneren des Sterns absorbiert und emittiert wird. Es wird dann geschaut, wie das Spektrum aussehen würde. Das Modell wird anschließend mit unseren Beobachtungen verglichen.

Das Gespräch führte
Neele Mühlhoff

Die GALAH-Erhebung ist ein großes Beobachtungsprogramm, bei dem das sogenannte HERMES-Instrument mit dem Teleskop des Australischen Astronomischen Observatoriums verwendet wird. Was ist denn das Besondere an dem Programm?

Wir glauben heute, dass grob 100 Millionen Sterne in unserer Milchstraße existieren. Aber wir haben bis jetzt gerade einmal die Elementhäufigkeiten von einem Prozent der Sterne ermittelt und dazu noch sehr ungenau! Unsere Erhebung soll das ändern, denn unser Ziel ist es, mit dem vier Meter großen angloaustralischen Teleskop bis zu eine Million Sterne und ihre Elementhäufigkeiten zu vermessen. Bis zur Jahrtausendwende haben Astronomen normalerweise jeden Stern einzeln beobachtet, um ein Spektrum zu erhalten. Mit unseren neuen Instrumenten können wir 400 Sterne und ihre Spektren auf einmal beobachten – und das dazu noch sehr effizient!

Lassen sich durch die Untersuchungen der chemischen Zusammensetzungen auch Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Milchstraße treffen?

Prinzipiell könnten wir das schon versuchen. Da die Sterne sehr alt sind – manche bis zu 13 Billionen Jahre und damit fast 3 mal so alt wie unser Planet – sind sie für uns eher wie Zeitkapseln in die Vergangenheit, daher auch die Bezeichnung „galaktische Archäologie“. Wir können aus unseren Forschungsergebnissen aber ableiten, dass nach einer eher stürmischen Anfangsphase die letzten Billionen Jahre eher „ruhig“ verlaufen sind und auch weiter ruhig verlaufen werden. Spannend wird es wohl in mehr als vier Billionen Jahren werden, wenn ganz andere Ereignisse die Milchstraße beeinflussen, zum Beispiel die Kollision mit unserer nächstgelegenen Galaxie, der Andromedagalaxie, die sich auf uns zubewegt.

Das Gespräch führte 
Neele Mühlhoff

@Slanted Publishers

Our new issue is here – space!

@Slanted Publishers

EN

There is something about space. It fuels our imagination. It makes us want to reach for the answers to questions that are so much bigger than ourselves. Some of them might remain a mystery forever – we, of all people, know that the answer to life, the universe, and everything is a tricky one (spoiler: it’s forty-two :)).

“But space is not just about stargazing and speculating about extraterrestrial life. It heavily influences our everyday life: the way we communicate, tell stories or approach geopolitical issues. For the past year, we have delved deeply into this topic – and we are extremely proud and happy to introduce you to fortytwomagazine’s brand new issue #5 on space today!

one topic – ten perspectives

In ten interviews with leading international experts, we have approached space from many different angles. We have explored the puzzling cosmological phenomena that constitute the dark side of the universe: black holes and dark matter. We have discussed the economic importance of the space sector and what happens with all the debris satellites cause. We have taken a look at how space is going to shape the wars of the future and why it is time for a space ethic. Order your copy today and read all ten interviews today!

There are many reasons why this one is a particularly special issue for us. Only two months ago, we introduced you to our publisher Slanted Publishers, an international media house well known for its award-winning Slanted Magazine. You might have already stumbled across the stunning new look they gave fortytwomagazine. And while our concept – one perspective, ten interviews – remains the same, we have decided on a bilingual approach, combining the German and English versions of our interviews in one printed magazine.

@Slanted Publishers

The artistic perspective of this issue comes from the mixed-media artist Protey Temen. In his work, he traces the structure of our world and reveals the mechanisms of causality that supposedly hold the world together.

As always, there has been an amazing international team working on this issue: interviewers, translators, editors, a social media team, our webmaster as well as our blog team that supplies you with smaller exciting bites of content while we’re working on the upcoming issue. If you want to find out more about us, check out our fortytwomagazine team.

We hope you will enjoy our new issue, the profound insights into the topic of space, and, following up, exciting and controversial debates. We are always looking forward to discussing with you and hear your thoughts on the ten perspectives!

Stay safe and all the best,

Lena, Lara, Kurt, Eliana, and the fortytwomagazine-team

DE

Der Weltraum hat eine besondere Anziehungskraft. Er regt unsere Fantasie an. Er bringt uns dazu, nach Antworten auf Fragen zu suchen, die viel zu groß für uns sind. Einige von ihnen werden wir wohl nie finden – denn gerade wir wissen ja, dass die Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest knifflig ist (Spoiler: sie lautet zweiundvierzig:)).

Aber der Weltraum ist so viel mehr als nur Sternegucken und Spekulation über außerirdisches Leben. Er beeinflusst unseren Alltag massiv: die Art und Weise, wie wir kommunizieren, Geschichten erzählen oder geopolitische Probleme angehen. Im vergangenen Jahr haben wir uns tief in die Materie eingearbeitet – und wir sind sehr stolz und glücklich, euch heute die neue fortytwomagazine-Ausgabe zum Thema Weltraum präsentieren zu können!

Ein Thema – Zehn Perspektiven

In zehn Interviews mit führenden internationalen Expert:innen haben wir uns dem Thema aus vielen verschiedenen Blickwinkeln genähert. Wir haben uns jene rätselhaften, kosmischen Phänomene angeschaut, die die dunkle, nur wenig erforschte Seite des Universums ausmachen: Schwarze Löcher und Dunkle Materie. Wir haben über die wirtschaftliche Bedeutung des Raumfahrtsektors diskutiert und darüber, was mit all den Trümmerteilen geschieht, die unsere Satelliten im Orbit hinterlassen. Wir haben einen Blick darauf geworfen, wie der Weltraum die Kriege der Zukunft prägen wird und warum es Zeit für eine Weltraumethik ist. Um alle zehn Interviews zu lesen, kannst du hier dein Exemplar bestellen.

Es gibt viele Gründe, warum diese Ausgabe #5 für uns eine ganz besondere ist. Erst vor zwei Monaten haben wir euch unseren Verlag Slanted Publishers vorgestellt, ein internationales Medienhaus, das für sein preisgekröntes Slanted Magazine bekannt ist. Vielleicht seid ihr ja schon über den wundervollen neuen Look gestolpert, den sie fortytwomagazine verpasst haben. Und während unser Konzept – ein Thema, zehn Interviews – bestehen bleibt, haben wir uns für einen zweisprachigen Ansatz entschieden und fassen die deutsche und englische Version unserer Interviews von nun an in einem Printmagazin zusammen.

@Slanted Publishers

Die künstlerische Arbeit dieser Ausgabe stammt von dem Mixed-Media-Künstler Protey Temen. In seinen Werken zeichnet er die Struktur unserer Welt nach und enthüllt die Kausalitäten, von denen sie vermeintlich zusammengehalten wird.

Wie immer hat ein großartiges internationales Team an dieser Ausgabe gearbeitet: Interviewer:innen, Übersetzer:innen, Redakteur:innen, ein Social-Media-Team, unser Webmaster sowie unser Blog-Team, das euch das Jahr über mit aktuellen, spannenden Inhalten versorgt, während wir parallel an der kommenden Ausgabe arbeiten. Wenn ihr mehr über uns erfahren möchtet, schaut doch mal auf unserer Team-Seite vorbei.

Wir hoffen, dass euch unsere neue Ausgabe, die Einblicke in den Weltraum und die daran anschließenden Debatten gefallen. Wir freuen uns immer, mit euch zu diskutieren und eure Gedanken zu den zehn Perspektiven zu hören!

Bleibt gesund!
Alles Liebe

Lena, Lara, Kurt, Eliana und das fortytwomagazine-Team

Credit: Slanted Publishers

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In fortytwo’s nutshell – November Edition

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Im November stand vor allem die US-Wahl im Fokus der Weltpresse. Deren Ausgang hat auch Auswirkungen auf das Geschehen im All. Denn der Präsident legt die Höhe der Gelder fest, die an die NASA gehen. Damit hat das Weiße Haus von jeher einen großen Einfluss auf die Ziele der amerikanischen Weltraumagentur.

Klimaschutz statt erneuter Mondlandung

Noch-Präsident Trump strebte eine erneute bemannte Mondlandung im Jahr 2024 an. Mit dem Einzug von Joe Biden ins Weiße Haus verschieben sich auch die Prioritäten der NASA. Das amerikanische Magazin Spacenews vermutet, dass Biden mehr auf Erdbeobachtung und Klimaforschung setzen wird.

SpaceX und NASA schicken vier Astronauten zur ISS

Für die Washington Post ist das Weltall einer der wenigen Lichtblicke im Jahr 2020. Eine der Errungenschaften dieses Jahr ist der erste bemannte Routineflug von Elon Musk’s SpaceX. Mike Hopkins, Shannon Walker, Victor Glover und Soichi Noguchi starteten ihre Reise am 16. November in Kalifornien. Nach 27 Stunden Flug dockte ihr Raumschiff „Resilience“ am 17. November erfolgreich an der Internationalen Raumstation ISS an.

20 Jahre menschliche Präsenz auf der ISS

Die Internationale Raumstation feierte diesen Monat 20 Jahre menschliche Besatzung. Am 2. November 2000 erreichten Bill Shepherd, Yuri Gidzenko und Sergei Krikalev die ISS. Als erste Crew lebten, forschten und arbeiteten sie im All. Seitdem hielten sich ständig Astronaut:innen auf der Internationalen Raumstation auf. Über 240 Menschen waren in den vergangenen 20 Jahren an Bord. Die Tagesschau lässt die letzten 20 Jahre Revue passieren und wirft auch einen Blick in die Zukunft: Denn bis spätestens 2030 soll die ISS außer Betrieb genommen und durch eine neue Raumstation ersetzt werden.

Ein neuer Satellit für die Ozeane

Wie viele Medien berichtete auch die FAZ von einem neuen Flugobjekt in unserem Orbit. Der Satellit „Sentinel-6 Michael Freilich“ startete am 21. November seine Reise ins All. In einer Höhe von 1.336 km umkreist er nun unseren Planeten und liefert dabei wichtige Daten über steigende Meeresspiegel und Wetterphänomene. Sentinel-6 ist Teil des Erdbeobachtung-Programms Copernicus. Die Europäische Weltraumorganisation ESA arbeitete zusammen mit der NASA sowie Eumetsat (Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten) und NOAA (amerikanische Wetter- und Ozeanografiebehörde) an dem Projekt. Gesteuert wird der Satellit von einem Kontrollzentrum der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (Eumetsat) in Darmstadt.

Mehr über die Rolle von Satelliten in der Klimaforschung erfahrt ihr übrigens auch in diesem Blogartikel.

Von Ella Steiner

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Chinas ehrgeizige Ziele im All

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Es war das Jahr 1977, als George Lucas mit Star Wars bahnbrechende Erfolge in den Kinos feierte. Der junge Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi kämpfen gemeinsam gegen das dunkle galaktische Imperium im All. Doch auch abseits des Kinogeschehens schwelt in den 70er und 80er Jahren ein Konflikt: die Sowjet Union und die USA befinden sich mitten im Kalten Krieg, der sie – ähnlich wie beim Krieg der Sterne – ins All führt. Auch wenn Kriege, wie wir sie aus Star Wars kennen, damals zur Zeit des Kalten Krieges wie heute in dieser Art (noch) nicht geführt werden, sind Weltraumtechnologien weit fortgeschritten und der Weltraum ein potentieller neuer Ort, um Konflikte auszutragen.

Bereits 2014 forderte der amtierende chinesische Staatspräsident Xi Jinping in China, „die Integration von Luft- und Raumfahrt voranzutreiben und die Angriffs- und Verteidigungsfähigkeiten zu schärfen“. 2015 veröffentlichte die chinesische Regierung ein Informationspapier zur militärischen Strategie der Volksrepublik, in dem explizit vom Weltraum als neuem Raum für militärische Operationen gesprochen wurde. Im selben Jahr weihte Xi die so genannte „Strategic Support Force“ (SSF) ein, eine Organisation, die dem Militär unterstellt ist und für die elektronische Kriegsführung, für Cyberspace-Angelegenheiten und militärische Operationen im Weltraum zuständig ist. Es liegt auf der Hand, dass die von US-Präsident Donald Trump 2019 ins Leben gerufene US Space Force – eine Streitkraft für den Weltraum – die amerikanische Antwort auf Xi’s SSF ist. Für die USA ist China nicht nur wirtschaftlich eine Herausforderung, sondern auch militärisch – und das Wettrennen ins All („Space Race“), das während des Kalten Krieges durch die bipolare Weltordnung bestimmt wurde, hat mit China als aufstrebende Macht einen neuen Wettkampfteilnehmer gefunden.

Kein Newcomer

Doch welche Motivationen stehen hinter Chinas Ambitionen im Weltraum? Die Volksrepublik ist kein Newcomer in der Raumfahrt, denn schon unter Mao wurde 1970 der erste Satellit mit dem prestigeträchtigen Namen „Der Osten ist rot“ (Dongfanghong I) ins All geschossen. China operiert ein großes Satellitennetzwerk, das unter anderem aus Wettersatelliten, Navigationssatelliten und Kommunikationssatelliten besteht. Vor allem die chinesische Version des US-amerikanischen Global Positioning System (GPS) „BeiDou“ hat auch in europäischen Medien für Aufsehen gesorgt, da es als Gegenentwurf zum amerikanischen GPS, europäischen Galileo und russischen GLONASS gilt und von Präsident Xi als „eine der großen Errungenschaften in 40 Jahren der Reform in China“ bezeichnet wird.

@Reimund Bertrams/Pixabay

@Reimund Bertrams/Pixabay

Mit der erstmaligen, erfolgreichen Landung einer Sonde auf der Rückseite des Mondes im Januar 2019 ist dem ostasiatischen Staat zudem etwas gelungen, was keine andere Raumfahrernation zuvor geschafft hat. Auch der Mars soll nicht unangetastet bleiben: China hat, wie auch die NASA und die Vereinigten Arabischen Emirate, im Sommer 2020 im Zuge seiner Mars-Mission das Raumschiff „Fragen an den Himmel“ in Richtung des Roten Planeten geschickt.  Da die Volksrepublik von der Partizipation auf der internationalen Raumstation ISS ausgeschlossen ist, wird zurzeit außerdem eine chinesische Raumstation (CSS) entwickelt, die 2022 fertig werden soll und ein potentieller Nachfolger der ISS sein könnte. China betont, dass alle Nationen an der CSS teilhaben können und zielt damit klar darauf ab, eine Alternative zu der Ausschlusspolitik der USA zu präsentieren.

Abhängigkeit von Satellitentechnik

Zwar wird im All nicht bemannt mit Lichtschwertern gekämpft, doch sowohl China, als auch die USA sind im Besitz von Waffentechnologien, die es ermöglichen, Satelliten abzuschießen. Mit dem Abschuss eines eigenen veralteten Wettersatelliten kam es 2007 zu einer Machtdemonstration Chinas, die der Welt – und vor allem den USA – zeigen sollte, dass die Volksrepublik mit Warp-Antrieb im Space Race eine Aufholjagd begonnen hat. Satelliten haben einen großen Stellenwert in der neuen Kriegsführung und bei der Kontrolle von schwelenden Konflikten: Die heutige hochtechnologisierte Art der Kriegsführung führt zu einer Abhängigkeit der Staaten von Satellitentechnik.

Für einen in mehrere Konflikte verwickelten Staat wie China sind funktionierende Satelliten das A und O und der Konflikt im Südchinesischen Meer um territoriale und maritime Ansprüche zwischen der VR China, Vietnam und den Philippinen ist nur eine von mehreren Fronten, an der sich die Volksrepublik auf ihre Satellitentechnik verlassen muss. Neben solchen zwischenstaatlichen Konflikten spielen auch innerstaatliche Krisen wie die Separatismusbewegungen in den Regionen Xinjiang, Tibet und die Situation auf der Insel Taiwan eine Rolle und können für China sicherheitspolitisch zum Risiko werden.

Regime profitiert von Erfolgen im Weltraum

Es ist jedoch nicht nur eine globale Machtdemonstration und die Wahrung der nationalen Sicherheit, auf die die Aktivitäten Chinas im Weltraum abzielen, denn gleichzeitig verschaffen sie dem kommunistischen Regime auch innerhalb des Landes Rückhalt in der Bevölkerung. Anders als in demokratischen Systemen wird die Legitimität einer Regierung in einer Autokratie wie China nicht primär durch Wahlen gewonnen. Vielmehr überleben autokratische Regime vor allem durch Unterdrückung und Repression – und das hat seine Kosten.

@Pexels/pixabay

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Um diese Kosten daher so gering wie möglich zu halten, ist es für die Kommunistische Partei Chinas wichtig, den Rückhalt und die Unterstützung der Bevölkerung auch über andere Quellen zu erlangen. Dabei setzt die Regierung in Peking vor allem auf den Patriotismus ihrer Bevölkerung und auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dass seit 2016 jedes Jahr am 24. April der „National Space Day“, also der nationale Weltraum-Tag, in China gefeiert wird, soll zu einem größeren Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen und damit den Rücken der Regierung stärken. Es überrascht nicht, dass dabei vor allem die zivilen Errungenschaften und friedlichen Zukunftspläne in der Raumfahrt der Volksrepublik gefeiert werden – die militärische Dimension wird selbstverständlich ausgeklammert.

So bedrohlich Chinas Aktivitäten im Weltraum scheinen mögen, es ist alles eine Frage der Perspektive. 2018 gaben die Vereinigten Staaten laut einer Recherche von Euroconsult knapp 41 Milliarden US-Dollar für ihr Weltraumprogramm aus, Chinas Weltraumbudget belief sich hingegen auf nur knapp 6 Milliarden US-Dollar. Natürlich sind solche Zahlen stets zu hinterfragen und es ist nicht ersichtlich, inwiefern militärische Weltraumtechnologien in diesem Budget miteinberechnet werden. Doch auch bei den Militärausgaben liegen die USA mit 732 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 weit vor der zweitplatzierten VR China, die 261 Milliarden US-Dollar ausgab. Wie auch immer die Konflikte im und um den Weltraum in den kommenden Jahren aussehen mögen, sicher ist, dass sie – anders als in George Lucas‘ Krieg der Sterne – stets an irdische Interessen geknüpft sind und die Machtkalkulation und Interessen der Staaten reflektieren werden.

Von Marie Welling

@free-photos/pixabay

In fortytwo’s nutshell – October Edition

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Gerne würde die Menschheit das Weltall auf Raum und Zeit begrenzen, um es besser zu verstehen. Das würde allerdings den wesentlichen Charakterzug des Universums missachten –  es ist nicht eingrenzbar, die Grenzen sind unsere Forschungsmittel und der menschliche Verstand. Oder, wie schon Albert Einstein sagte:  “Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.”

Und zu dieser Wahrheit gehört auch, dass Universum, Weltall und Weltraum uns allen ein Begriff sind, was sie aber genau bedeuten, wissen viele nicht mehr ganz so genau. Deswegen stellt diese Presseschau zu Beginn auch leicht verständliche Texte zum Thema Weltall vor, damit jeder sein Schulwissen vom Sachunterricht auffrischen kann. 

Ferne Welten: Weltall, Geolino

Was ist eigentlich eine “Supernova”? Die Geolino (ja, die Kinderzeitschrift von GEO) erklärt genau solche Fragen mit Grafiken und kurzen Texten auf ihrer Themenseite: Weltall. Ehrgeiz wird hier durchaus auch geweckt: Die Leser:innen können ein Quiz zu den verschiedenen Unterthemen machen. Die Themenseite geht aber auch über einfaches Grundwissen hinaus und fragt nach Leben im Weltall. Ein Highlight: Der Persönlichkeitstest “Hast du das Zeug zum Astronauten?”. Die Themenseite ist für alle eine Empfehlung, die zum Beispiel nicht auf Anhieb wissen, welche Planeten zu unserem Sonnensystem gehören. 

Der historische Blick

Dem Universum kann sich aber nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch historisch genähert werden. Der Sinologe Siegfried Klaschka zeichnet die ersten Versuche der Menschheit nach, das Weltall zu erforschen. Damals hießen die Experten allerdings nicht Astronomen, sondern Himmelskundige. Schon elf Jahrhunderte vor Christus sollen Chines:innen entdeckt haben, dass ein Jahr aus ungefähr 365 Tagen besteht. Planeten bezeichneten sie als Wandelsterne, weil sie sich am Himmel bewegten. Die historische Nacherzählung liest sich wie ein spannender Krimi. So vermuteten manche Forscher:innen schon 300 Jahre vor Christus, dass die Erde sich um die Sonne drehe, nur: die Beweise dafür fehlten. Erst Jahrhunderte später wurde diese richtige Annahme etabliert. 

Schwarzes Loch “ernährt” sich von umliegenden Galaxien

Und der Wettlauf um neue Erkenntnisse hält an: Immer wieder gibt es neue Theorien und Modelle zum All. Ein internationales Forscherteam hat nun eine neue Theorie zu Schwarzen Löchern im Universum entwickelt. Sie halten es für möglich, dass sich Schwarze Löcher im All von Galaxien ernähren. Das in den Galaxien gespeichert Gas diene hierbei als Futter für die Schwarzen Löcher und könnte erklären, weshalb Schwarze Löcher so schnell und scheinbar unendlich wachsen. Die Frankfurter Rundschau berichtet. 

Space Center Ramstein: Aufrüsten im All

Doch nicht nur Wissenschafter:innen buhlen um das Weltall. Wie die Tagesschau berichtet, wird die Konkurrenz der Länder um die Vorherrschaft im All immer brisanter. So sollen Satelliten in Zukunft  andere Satelliten zum Beispiel einfangen oder abschießen. Hört sich nach Science Fiction an, soll aber schon vereinzelt passiert sein. Deswegen möchte die NATO jetzt ihre Satelliten mithilfe des Space-Centers in Ramstein (Deutschland) schützen. Die NATO bezeichnet die Aktion als Aufklärung und Schutz, Kritiker sprechen von Aufrüstung im All.

US-Wahl im All: Nasa-Astronautin wählt auf der ISS

Dass Politik im Weltall eine große Rolle spielt, zeigt auch der nächste Artikel, veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau. Nasa-Astronautin Kate Rubins ist aktuell auf der ISS, ihre Stimme bei der US-Wahl konnte sie trotzdem abgeben. Ein elektronischer Wahlzettel und ein Gesetz, das Astronaut:innen erlaubt, vom Weltall zu wählen, machten es möglich. Und sie hat noch eine wichtige Botschaft an die Mitbürger:innen in Amerika: „Wenn wir das aus dem Weltall tun können, glaube ich, dass es jeder von der Erde aus auch kann.“

Existieren noch bessere Welten als die Erde?

Mit der Erforschung des Weltalls geht auch die Suche nach anderen erdähnlichen Planeten weiter. Amerikanische und deutsche Wissenschaftler:innen konnten jetzt 24 Planeten ausfindig machen, die sogar noch bessere Lebensbedingungen als die Erde bieten. Das liegt zum Beispiel daran, dass die gefundenen Planeten älter, größer und wärmer als die Erde sind. Gleichzeitig kreisen sie um kleinere Sonnen, was noch mehr Zeit für diese Erden verspricht als für unsere. Ob auf den 24 Erden schon Leben vorhanden ist, kann (noch) nicht herausgefunden werden. Sie sind über 100 Milliarden Lichtjahre von unserer Erde entfernt. Die Stuttgarter Zeitung berichtet.

Manches Wissen über das Weltall scheint entschlüsselt, viel mehr ist aber noch ungeklärt. Genau das fasziniert so viele Menschen an diesem Thema. Und: Obwohl die Presseschau nur ein kleiner Einblick ist, zeigt sie: Die nächsten Monate werden politisch, mystisch und vor allem spannend. 

Von Sophia Stahl 

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Satelliten in der Klimaforschung

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Die Weltraumforschung hilft uns, das Klima auf der Erde besser zu verstehen. Auch wenn Satelliten anfangs nur militärischen Zwecken dienten, wurden sie schon früh auch in den Dienst der Klima- und Wetterforschung gestellt. Heute messen über 700 Klima-Satelliten Ozonwerte oder schmelzende Gletscher aus dem Orbit. Sie liefern präzise Daten, die vom Erdboden aus nur schwer oder gar nicht zu erfassen sind.

Die Erde von oben verstehen

Als Sputnik, der erste künstliche Satellit, 1957 seine piepsende Bahn um die Erde zog, ging es bei der Erschließung des Weltalls in erster Linie um die technische Überlegenheit im Kalten Krieg. Bereits ab 1960 wurden Satelliten jedoch operativ für die Klimaforschung eingesetzt: die sogenannten TIROS (Television and InfraRed Observation Satellite). Mit Radio- und Spektrometern beobachteten sie Wolkenfelder und das Wetter vom Orbit aus. Durch den Vergleich ihrer Messdaten aus den 1970er mit Messungen aus den folgenden Jahrzehnten konnten Forscher 2013 den Einfluss des Menschen auf den Wandel des Klimas in einer Studie belegen.

Aktuell umkreisen 768 Erdbeobachtungssatelliten unseren blauen Planeten. 2008 waren es noch 150. Sie sind mit Kameras, Radar-, Radio- oder Infrarot-Geräten ausgestattet und sammeln Informationen über:

  • die Atmosphäre (z. B. die CO2- und Methan-Konzentration)
  • Ozeane und Meeresspiegel
  • Entwicklungen an Land (z. B. Entwaldung und Wüstenbildung)
  • Klima und Wetterphänomene

Wissenschaftler nutzen diese Daten, um Zusammenhänge zu erkennen, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und Prognosen für die Zukunft zu berechnen.

Wie Klimadaten aus dem All den Umweltschutz voranbringen

Im Kampf gegen den Klimawandel steuern Klimadaten aus dem All wichtige Hinweise für Forschung und Politik bei. Ein Beispiel ist die kanadische Satelliten-Konstellation „Iris“. Ihr Ziel ist es, nachzuvollziehen, wo viel Methan in die Atmosphäre ausgestoßen wird. Das Projekt wurde im April 2020 gelauncht und seine Satelliten können Methan-Quellen auf 25 Meter genau ermitteln. Langfristig sei es möglich, Unternehmen, die die Umwelt besonders stark verschmutzen, zu identifizieren und zu sanktionieren.

Auch in Europa gibt es Initiativen, die Lösungsansätze für den Umweltschutz und das bessere Verständnis des globalen Klimas versprechen. Sieben europäische Satelliten werden derzeit für die Erdbeobachtung aus dem Orbit eingesetzt. Sie fliegen im Rahmen des weltweit größten Programms für die Beobachtung der Erde: Copernicus.

Während des Corona-Lockdowns zeigten die Bilder der Copernicus-Satelliten eindrucksvoll, wie der Stickstoffgehalt über Italien zurückging. Solche und weitere Satellitendaten sollen unter anderem der Politik helfen, Probleme zu erkennen und Klimaziele zu erreichen. Aber auch Fischer, Landwirte und Unternehmen optimieren ihre Erträge mithilfe der europäischen Satelliten-Flotte, denn die Sentinel-Daten stehen jedem frei zur Verfügung.

Mit der 5. Ausgabe von 42 Magazine verlassen wir zwar vorerst unseren kleinen, blauen Planeten. Das Thema des 4. Hefts „Klima im Wandel“ wird uns aber weiter beschäftigen. Denn Weltraum- und Klimaforschung überschneiden sich. Während man den enormen CO2-Ausstoß von Raketen ins All kritisieren kann, steuert die Forschung im Orbit wichtige Informationen bei. Satellitenbilder zeigen, wie die Eiskappen schwinden und Ozonlöcher wachsen. Sie liefern konkrete Beweise und helfen uns, unsere Umwelt besser zu verstehen. Doch auch unser Orbit ist bereits mit vielen tausenden Teilen toter Satelliten und verbrauchter Raketen vermüllt. Mehr dazu gibt es bald in unserem brandneuen 42-Heft „Weltraum“ zu lesen!

Von Ella Steiner