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Ein Ausflug in die galaktische Archäologie

@Donald Giannatti/Unsplash

Explodierende Supernovae, sich in andere Galaxien schleichende Sterne – klingt nach Science Fiction? Für Dr. Sven Buder, Research Fellow im Bereich Astronomie und Astrophysik an der Australian National University in Canberra, ist das Arbeitsalltag. Im Rahmen des GALAH-Programmes beschäftigt er sich mit galaktischer Archäologie und Sternphysik. Davor hat er am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg in der Abteilung Galaxien und Kosmologie und im schwedischen Uppsala geforscht. Wir haben mit ihm über die Entstehung und Entwicklung unserer Galaxie, den Zusammenhang zwischen Sternen und Flipperautomaten und die Bedeutung von Spektren in seinem Forschungsgebiet gesprochen.

Sie untersuchen in Ihrer Arbeit die Geschichte von Sternen. Wie kann man sich die Arbeit eines Archäologen im Weltraum vorstellen?

So cool es auch wäre, leider sind wir weder Indiana Jones noch Neil Armstrong. Für unsere „Fossile“ müssen wir zum Glück weder in dunklen Höhlen herumkriechen noch höchstpersönlich zum Mond fliegen, sondern nur in den Nachthimmel schauen. Da die meisten der Sterne und fernen Galaxien, für die wir uns interessieren, sehr weit weg sind, erreicht uns nur ein kleiner Bruchteil ihres Lichtes. Wir benutzen deshalb riesige Teleskope mit bis zu acht Meter großen Spiegeln, um deren Licht einzufangen. Mit verschiedensten Hilfsmitteln, wie Filtern oder Prismen, können wir dann mehr über das Licht der Sterne herausfinden. Beispielsweise wie heiß ein Stern ist oder wie häufig verschiedene Elemente wie Eisen, Titan oder Lithium in dem Stern vorkommen. Es kann einige Zeit dauern, bis uns das Licht der Sterne erreicht: Die Sonne sehen wir beispielsweise mit acht Minuten Verzögerung. Je weiter entfernt die Galaxien von uns sind, desto länger braucht das Licht, um bei uns anzukommen. Bei sehr weit entfernten Galaxien liegt die Verzögerung bei mehreren hundert Jahrmillionen.

Die Entstehung neuer chemischer Elemente in Galaxien nennt man Nukleosynthese. Kurz nach dem Urknall gab es nur Helium und Wasserstoff. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an chemischen Elementen. Wie kam es dazu?

Kurz nach dem Urknall war das Universum noch extrem heiß – mehrere Millionen Grad! – so heiß, dass sich keine Atomkerne bilden konnten. Da sich das Universum aber ausbreitet und kälter wird, konnten mehrere Sekunden nach dem Urknall dann erste Atomkerne von Wasserstoff, Helium und ein kleines bisschen Lithium entstehen. Nur wenige Minuten später war das Universum dann aber schon zu kalt geworden, um schwere Kerne zu synthetisieren. Die schweren Kerne zum Beispiel von Eisen, Blei oder anderen Elementen konnten deshalb erst dann erzeugt werden, wenn es „irgendwo“ wieder heiß genug war – zum Beispiel im Inneren von Sternen, die sich irgendwann aus großen Ansammlungen von Atomkernen heraus bildeten. Dies ist vor allem der Fall, wenn Sterne in hochenergetischen Supernovae explodieren. Bei diesen Explosionen werden unterschiedlich schwere Elemente erzeugt. Wenn wir dann heute die Häufigkeit gewisser Elemente messen, können wir daraus ableiten, welche Art von Explosionen das „Baumaterial“ eines Sterns angereichert haben. Dadurch lässt sich sogar zurückverfolgen, ob ein Stern in unserer Galaxie oder einer anderen geboren wurde.

Die galaktische Archäologie identifiziert also den Ursprung von Sternen anhand ihrer chemischen Signatur und hilft dabei, die Entstehung und Entwicklung der Milchstraßengalaxie zu verstehen. Aber wie genau weist man chemische Elemente in Sternen nach, die so weit von uns entfernt sind?

Man kennt ja das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. In meinem Fachgebiet sagen wir eher „Ein Spektrum sagt mehr als tausend Bilder“. Das Licht, das uns von den Sternen erreicht, können wir mit Prismen in seine Wellenlängen aufspalten. Das ist dasselbe Prinzip wie bei einem Regenbogen, in dem sich das Licht auch in alle seine Farben aufspaltet. Wenn man sich dann dieses Farbspektrum des Sternenlichtes genauer ansieht, kann man winzige Verdunklungen an ganz speziellen Stellen sehen – nämlich genau bei den Wellenlängen (oder Energien), in denen die Elektronen von Atomen oder Molekülen eines Sternes das Licht, das aus seinem Kern kommt, absorbieren.

Je größer das Vorkommen eines gewissen Atoms in einem Stern, desto mehr Licht wird an gewissen Stellen des Sternspektrums absorbiert und wir können daraus die Elemente und ihre Häufigkeiten ableiten. Denn die Elektronen von Atomen oder Molekülen haben ganz gewisse Energien, mit denen sie angeregt werden können. Je mehr Verdunkelungen erkennbar sind, desto häufiger ist das bestimmte Element in dem Stern vorhanden.

https://www.youtube.com/watch?v=2bVGr1MV2-8&feature=emb_logo

“The Rainbow Fingerprints”: So funktioniert das Sternenspektrum

Die Photonen – also das, was bei uns als Licht ankommt –, werden durch Kernfusionen im Inneren des Sterns erzeugt, und bewegen sich durch das Sterneninnere. Dabei stoßen die Photonen an andere Atome, die dabei angeregt werden. Das einzelne Photon wird absorbiert und sofort wieder emittiert. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Flipperautomaten. Die Photonen müssen sich erst durch den Stern bewegen, um herauszukommen. Je mehr Atome von einem Element im Stern vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Photonen mit den Atomen zusammenstoßen. Und dabei werden die Photonen mit einer gewissen Energie bzw. Wellenlänge absorbiert. Das ist dann der Zusammenhang, den wir im Spektrum des Lichts, das bei uns ankommt, beobachten können. Praktisch kann man sich unsere Arbeit folgendermaßen vorstellen: Wir modellieren Sterne mit unterschiedlichen Anteilen chemischer Elemente. Dann wird berechnet, was theoretisch passieren würde, wenn ein Photon aus dem Inneren des Sterns absorbiert und emittiert wird. Es wird dann geschaut, wie das Spektrum aussehen würde. Das Modell wird anschließend mit unseren Beobachtungen verglichen.

Das Gespräch führte
Neele Mühlhoff

Die GALAH-Erhebung ist ein großes Beobachtungsprogramm, bei dem das sogenannte HERMES-Instrument mit dem Teleskop des Australischen Astronomischen Observatoriums verwendet wird. Was ist denn das Besondere an dem Programm?

Wir glauben heute, dass grob 100 Millionen Sterne in unserer Milchstraße existieren. Aber wir haben bis jetzt gerade einmal die Elementhäufigkeiten von einem Prozent der Sterne ermittelt und dazu noch sehr ungenau! Unsere Erhebung soll das ändern, denn unser Ziel ist es, mit dem vier Meter großen angloaustralischen Teleskop bis zu eine Million Sterne und ihre Elementhäufigkeiten zu vermessen. Bis zur Jahrtausendwende haben Astronomen normalerweise jeden Stern einzeln beobachtet, um ein Spektrum zu erhalten. Mit unseren neuen Instrumenten können wir 400 Sterne und ihre Spektren auf einmal beobachten – und das dazu noch sehr effizient!

Lassen sich durch die Untersuchungen der chemischen Zusammensetzungen auch Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Milchstraße treffen?

Prinzipiell könnten wir das schon versuchen. Da die Sterne sehr alt sind – manche bis zu 13 Billionen Jahre und damit fast 3 mal so alt wie unser Planet – sind sie für uns eher wie Zeitkapseln in die Vergangenheit, daher auch die Bezeichnung „galaktische Archäologie“. Wir können aus unseren Forschungsergebnissen aber ableiten, dass nach einer eher stürmischen Anfangsphase die letzten Billionen Jahre eher „ruhig“ verlaufen sind und auch weiter ruhig verlaufen werden. Spannend wird es wohl in mehr als vier Billionen Jahren werden, wenn ganz andere Ereignisse die Milchstraße beeinflussen, zum Beispiel die Kollision mit unserer nächstgelegenen Galaxie, der Andromedagalaxie, die sich auf uns zubewegt.

Das Gespräch führte 
Neele Mühlhoff

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