Dr. Manfred Vogt arbeitet aktuell nach einer Zwischenstation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Geo- und Kosmochemie am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg. Er erforscht insbesondere die Entstehungsprozesse von Planeten und deren Bausteinen im frühen Sonnensystem anhand von Isotopensignaturen in Meteoriten. Hört sich kompliziert an? Uns hat er einen Einblick in seine aktuelle Forschung gegeben, über neueste Erkenntnisse im Forschungsfeld gesprochen und erklärt, warum Meteoriten dafür eine wichtige Rolle spielen. Wenn ihr noch mehr zu dem Thema wissen wollt, schaut gerne hier beim Spektrum-Magazin vorbei.
Ihre Forschung dreht sich vor allem um die frühe Entstehung und Entwicklung der Erde. Dafür untersuchen Sie die Zusammensetzung von Meteoriten und kosmischem Staub. Inwieweit können Meteoriten dabei helfen, Aussagen über das Erdinnere zu treffen?
Dafür muss ich etwas ausholen. Vor gut 4,6 Milliarden Jahren bildeten sich durch Kondensation im Urnebel um unsere junge Sonne feste Bestandteile, die durch graduelles Wachstum von Staubpartikeln zu immer größeren Festkörpern heranwuchsen. Aus kleinen Partikeln entstanden einige Kilometer große Planetenbausteine, sogenannte Planetesimale, und schließlich die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars. Überreste der Planetenbausteine sind noch heute in Form von Asteroiden zwischen den Bahnen der Planeten Mars und Jupiter zu finden. Von Zeit zu Zeit landen Bruchstücke dieser Asteroiden als Meteoriten bei uns auf der Erde. Meteoriten sind also reale Zeugen der Urzeit und eröffnen uns ein Fenster in die Anfänge unseres Sonnensystems.
„Vergleichsmaterial für den Erdkern“
Einige der Meteoriten bei uns auf der Erde bestehen fast ausschließlich aus Eisen und Nickel und werden deshalb Eisenmeteorite genannt. Die meisten dieser Objekte stammen von Kernen größerer Asteroiden. Da vom Erdkern aus einer Tiefe von mehr als 2900 km keine direkten Proben vorliegen, werden Eisenmeteorite aufgrund ihrer Entstehung und der ähnlichen chemischen Zusammensetzung in der Forschung als „Vergleichsmaterial“ für den Erdkern verwendet.
Sie sind der Frage nachgegangen, warum leichte Edelgase wie Helium und Neon im Erdinneren eine andere Zusammensetzung aufweisen als in der Atmosphäre. Was können sie über die Erdentstehung aussagen?
Edelgase lassen sich besonders gut als „Fingerabdruck“ verwenden, da sie im Gegensatz zu den meisten anderen Elementen (fast) nie an chemischen Reaktionen teilnehmen. Das führt dazu, dass wir anhand ihrer Isotope rückschließen können, in welchem Umfang unterschiedliche Reservoire wie z.B. Meteoriten, Kometen oder der Sonnenwind während der Entstehung von Planeten eine entscheidende Rolle gespielt haben. Während der Sonnenwind eine „solare“ Komponente aufweist, werden die deutlich unterschiedlichen Element- und Isotopenverhältnisse in Meteoriten und den Atmosphären der terrestrischen Planeten als „planetar“ bezeichnet. Die Unterscheidung beider Komponenten ist insbesondere eindeutig für die isotopische Zusammensetzung der leichten Edelgase Helium und Neon.
Dass solare Signaturen im Erdinneren zu finden sind, lässt sich heute in Vulkangesteinen des Erdmantels, zum Beispiel an mittelozeanischen Rücken oder Vulkaninseln wie Hawaii, Galapagos oder Reunion, nachweisen. Unklar war bislang allerdings, aus welchen genauen Bereichen im Inneren der Erde diese Signaturen aufsteigen.
„Hochaufwendige Analysen im Labor“
Schon länger gab es Spekulationen darüber, ob der Erdkern als Quelle solarer Signaturen in Frage kommt. Einen eindeutigen Beleg gab es dafür jedoch nicht. Diesen Nachweis erbrachten nun Edelgasmessungen am Eisenmeteoriten Washington County, der im Jahr 1916 in ein Weizenfeld in Colorado, USA, einschlug. Durch hochaufwendige Analysen im Klaus-Tschira-Labor für Kosmochemie an der Universität Heidelberg konnten wir jüngst nun tatsächlich nachweisen, dass solare Signaturen im Metall von Washington County stecken.
Welche Rückschlüsse können aus der Untersuchung des Eisenmeteoriten in Hinblick auf den Erdkern gezogen werden?
Der Nachweis solarer Signaturen im Inneren des Eisenmeteoriten Washington County ist der erste solide Beleg für die Theorie, dass Edelgase bei der Bildung eines Festkörpers in einer Metallphase eingeschlossen werden können. Unser Modell legt nahe, dass solares Helium und Neon des im Ausgangsmaterial von Washington County implantierten Sonnenwinds bei Aufschmelzprozessen ins Metall überging, welches sich daraufhin im Kern sammelte. Im Umkehrschluss schloss somit auch der Erdkern während seiner Bildung solares Helium und Neon ein.
Der Erdkern ist also tatsächlich ein belegbares und damit bestätigtes Reservoir für solare Signaturen. Ein kleiner Anteil eines Metalls mit ähnlichem Gehalt an leichten Edelgasen wie Washington County im Erdkern würde ausreichen, um die aufsteigenden solaren Signaturen von Helium und Neon aus dem Erdinneren zu erklären. Über unvorstellbar lange Zeiträume hinweg fanden die Partikel des im Erdkern eingeschlossenen Sonnenwinds ihren Weg zurück in den Erdmantel und an die Erdoberfläche. Somit spielt das metallische Zentrum der Erde vermutlich eine bisher unbeachtete aktive Rolle bei geodynamischen Prozessen und beeinflusst maßgeblich die Geochemie des Erdmantels.
Von Neele Mühlhoff