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Es war das Jahr 1977, als George Lucas mit Star Wars bahnbrechende Erfolge in den Kinos feierte. Der junge Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi kämpfen gemeinsam gegen das dunkle galaktische Imperium im All. Doch auch abseits des Kinogeschehens schwelt in den 70er und 80er Jahren ein Konflikt: die Sowjet Union und die USA befinden sich mitten im Kalten Krieg, der sie – ähnlich wie beim Krieg der Sterne – ins All führt. Auch wenn Kriege, wie wir sie aus Star Wars kennen, damals zur Zeit des Kalten Krieges wie heute in dieser Art (noch) nicht geführt werden, sind Weltraumtechnologien weit fortgeschritten und der Weltraum ein potentieller neuer Ort, um Konflikte auszutragen.
Bereits 2014 forderte der amtierende chinesische Staatspräsident Xi Jinping in China, „die Integration von Luft- und Raumfahrt voranzutreiben und die Angriffs- und Verteidigungsfähigkeiten zu schärfen“. 2015 veröffentlichte die chinesische Regierung ein Informationspapier zur militärischen Strategie der Volksrepublik, in dem explizit vom Weltraum als neuem Raum für militärische Operationen gesprochen wurde. Im selben Jahr weihte Xi die so genannte „Strategic Support Force“ (SSF) ein, eine Organisation, die dem Militär unterstellt ist und für die elektronische Kriegsführung, für Cyberspace-Angelegenheiten und militärische Operationen im Weltraum zuständig ist. Es liegt auf der Hand, dass die von US-Präsident Donald Trump 2019 ins Leben gerufene US Space Force – eine Streitkraft für den Weltraum – die amerikanische Antwort auf Xi’s SSF ist. Für die USA ist China nicht nur wirtschaftlich eine Herausforderung, sondern auch militärisch – und das Wettrennen ins All („Space Race“), das während des Kalten Krieges durch die bipolare Weltordnung bestimmt wurde, hat mit China als aufstrebende Macht einen neuen Wettkampfteilnehmer gefunden.
Kein Newcomer
Doch welche Motivationen stehen hinter Chinas Ambitionen im Weltraum? Die Volksrepublik ist kein Newcomer in der Raumfahrt, denn schon unter Mao wurde 1970 der erste Satellit mit dem prestigeträchtigen Namen „Der Osten ist rot“ (Dongfanghong I) ins All geschossen. China operiert ein großes Satellitennetzwerk, das unter anderem aus Wettersatelliten, Navigationssatelliten und Kommunikationssatelliten besteht. Vor allem die chinesische Version des US-amerikanischen Global Positioning System (GPS) „BeiDou“ hat auch in europäischen Medien für Aufsehen gesorgt, da es als Gegenentwurf zum amerikanischen GPS, europäischen Galileo und russischen GLONASS gilt und von Präsident Xi als „eine der großen Errungenschaften in 40 Jahren der Reform in China“ bezeichnet wird.
Mit der erstmaligen, erfolgreichen Landung einer Sonde auf der Rückseite des Mondes im Januar 2019 ist dem ostasiatischen Staat zudem etwas gelungen, was keine andere Raumfahrernation zuvor geschafft hat. Auch der Mars soll nicht unangetastet bleiben: China hat, wie auch die NASA und die Vereinigten Arabischen Emirate, im Sommer 2020 im Zuge seiner Mars-Mission das Raumschiff „Fragen an den Himmel“ in Richtung des Roten Planeten geschickt. Da die Volksrepublik von der Partizipation auf der internationalen Raumstation ISS ausgeschlossen ist, wird zurzeit außerdem eine chinesische Raumstation (CSS) entwickelt, die 2022 fertig werden soll und ein potentieller Nachfolger der ISS sein könnte. China betont, dass alle Nationen an der CSS teilhaben können und zielt damit klar darauf ab, eine Alternative zu der Ausschlusspolitik der USA zu präsentieren.
Abhängigkeit von Satellitentechnik
Zwar wird im All nicht bemannt mit Lichtschwertern gekämpft, doch sowohl China, als auch die USA sind im Besitz von Waffentechnologien, die es ermöglichen, Satelliten abzuschießen. Mit dem Abschuss eines eigenen veralteten Wettersatelliten kam es 2007 zu einer Machtdemonstration Chinas, die der Welt – und vor allem den USA – zeigen sollte, dass die Volksrepublik mit Warp-Antrieb im Space Race eine Aufholjagd begonnen hat. Satelliten haben einen großen Stellenwert in der neuen Kriegsführung und bei der Kontrolle von schwelenden Konflikten: Die heutige hochtechnologisierte Art der Kriegsführung führt zu einer Abhängigkeit der Staaten von Satellitentechnik.
Für einen in mehrere Konflikte verwickelten Staat wie China sind funktionierende Satelliten das A und O und der Konflikt im Südchinesischen Meer um territoriale und maritime Ansprüche zwischen der VR China, Vietnam und den Philippinen ist nur eine von mehreren Fronten, an der sich die Volksrepublik auf ihre Satellitentechnik verlassen muss. Neben solchen zwischenstaatlichen Konflikten spielen auch innerstaatliche Krisen wie die Separatismusbewegungen in den Regionen Xinjiang, Tibet und die Situation auf der Insel Taiwan eine Rolle und können für China sicherheitspolitisch zum Risiko werden.
Regime profitiert von Erfolgen im Weltraum
Es ist jedoch nicht nur eine globale Machtdemonstration und die Wahrung der nationalen Sicherheit, auf die die Aktivitäten Chinas im Weltraum abzielen, denn gleichzeitig verschaffen sie dem kommunistischen Regime auch innerhalb des Landes Rückhalt in der Bevölkerung. Anders als in demokratischen Systemen wird die Legitimität einer Regierung in einer Autokratie wie China nicht primär durch Wahlen gewonnen. Vielmehr überleben autokratische Regime vor allem durch Unterdrückung und Repression – und das hat seine Kosten.
Um diese Kosten daher so gering wie möglich zu halten, ist es für die Kommunistische Partei Chinas wichtig, den Rückhalt und die Unterstützung der Bevölkerung auch über andere Quellen zu erlangen. Dabei setzt die Regierung in Peking vor allem auf den Patriotismus ihrer Bevölkerung und auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dass seit 2016 jedes Jahr am 24. April der „National Space Day“, also der nationale Weltraum-Tag, in China gefeiert wird, soll zu einem größeren Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen und damit den Rücken der Regierung stärken. Es überrascht nicht, dass dabei vor allem die zivilen Errungenschaften und friedlichen Zukunftspläne in der Raumfahrt der Volksrepublik gefeiert werden – die militärische Dimension wird selbstverständlich ausgeklammert.
So bedrohlich Chinas Aktivitäten im Weltraum scheinen mögen, es ist alles eine Frage der Perspektive. 2018 gaben die Vereinigten Staaten laut einer Recherche von Euroconsult knapp 41 Milliarden US-Dollar für ihr Weltraumprogramm aus, Chinas Weltraumbudget belief sich hingegen auf nur knapp 6 Milliarden US-Dollar. Natürlich sind solche Zahlen stets zu hinterfragen und es ist nicht ersichtlich, inwiefern militärische Weltraumtechnologien in diesem Budget miteinberechnet werden. Doch auch bei den Militärausgaben liegen die USA mit 732 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 weit vor der zweitplatzierten VR China, die 261 Milliarden US-Dollar ausgab. Wie auch immer die Konflikte im und um den Weltraum in den kommenden Jahren aussehen mögen, sicher ist, dass sie – anders als in George Lucas‘ Krieg der Sterne – stets an irdische Interessen geknüpft sind und die Machtkalkulation und Interessen der Staaten reflektieren werden.
Von Marie Welling