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“Ein klassischer Computer ist salopp gesagt eine rechnende Heizung”

Forschungszentrum Jülich

@Forschungszentrum Jülich/ Ralf-Uwe Limbach

 

Während der Corona-Krise ist die Digitalisierung weiter vorangeschritten. Meetings, Uni-Kurse oder der Schulunterricht fanden online statt. Zwar sind Videokonferenz umweltfreundlicher als ein physisches Treffen, aber ein erhöhter Daten- und Stromverbrauch ist trotzdem eine Belastung für den Planeten. Denn auch Rechenzentren haben einen ökologischen Fußabdruck.

Bereits 2015 rechnete eine schwedische Studie ein Worst-Case Szenario aus: Bis 2030 sollen Kommunikations-Technologien 51% des weltweiten Stromverbrauchs und 23% des vom Menschen verursachten CO2-Ausstoßes ausmachen, wenn kein ausreichender technologischer Fortschritt gemacht wird.

Eine Hoffnung, die hoch gehandelt wird, sind Quantencomputer. Laut einer Google-Studie aus dem Jahr 2019 sollen Quantencomputer komplizierte Rechnungen, für die aktuelle Supercomputer 10.000 Jahre braucht, innerhalb von Minuten lösen – und dabei weniger Energie verbrauchen.

Grafik: Ella Steiner

42 hat Professor Frank Wilhelm-Mauch zum Thema Quantencomputer und Energieeffizienz befragt. Er ist Leiter des Institutsbereichs für Quantum Computing Analytics am Forschungszentrum Jülich, das sich derzeit zum Zentrum der Quantencomputer-Forschung in Deutschland entwickelt. Denn hier soll aus den Einzelteilen, die in Schweden, der Schweiz, Finnland und Deutschland entwickelt wurden, der erste Quantencomputer Europas zusammengesetzt werden.

42: Sind Quantencomputer wirklich energieeffizienter als normale Computer?

Prof. Wilhelm-Mauch: Ein klassischer Computer ist salopp gesagt eine rechnende Heizung. Er erzeugt viel Entropie. Das ist Energie, die irreversibel verloren geht, hier in Form von Wärme. Quantencomputer können nur bei Tiefsttemperaturen stabil arbeiten. Ein Quantencomputer kann (und muss) deshalb fast ohne Entropieerzeugung auskommen. Um den Quantencomputer am Leben zu halten, müssen wir dafür sorgen, dass in seiner Nähe keinerlei Energie verschwendet wird. Energieeffizienz und Quantencomputer gehen also Hand in Hand.

42: Heißt das, dass Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bei Ihrer Forschung zu Quantencomputern ein zentrales Thema sind? Oder handelt es sich eher um ein Nebenprodukt?

Prof. Wilhelm-Mauch: Die Priorität ist im Augenblick, einen funktionierenden Quantencomputer zu bauen. Aber um das zu erreichen, setzen wir uns mit einer ganzen Reihe von Fragestellungen auseinander, die mit Energieeffizienz zu tun haben.

Ein gutes Beispiel ist die Hardware von Quantencomputern. Ich arbeite derzeit an supraleitenden Chips. Diese funktionieren nur bei sehr niedrigen Temperaturen. Energetisch gesehen gibt es da eine gewisse Grundlast, da eine Kältemaschine benötigt wird, die aber sehr energieeffizient ist, wenn sie erst einmal heruntergekühlt ist. Diese Maschinen haben aber auch große Probleme, Wärme abzuführen. Das heißt, ich muss möglichst wenig Wärme, möglichst wenig Energie auf meinem Quantenchip erzeugen, da ich sonst meine Tiefkühlumgebung und damit meine Quanteninformationen zerstören würde.

Wir achten deshalb schon möglichst früh in unserer Forschung zum Quantenchip darauf, keinerlei Energie zu vergeuden.

Forschungszentrum Jülich/ Ralf-Uwe Limbach

Forschungszentrum Jülich/ Ralf-Uwe Limbach

42: Wo können Quantencomputer in einer nachhaltigeren Welt noch eine Rolle spielen?

Prof. Wilhelm-Mauch:Man könnte sie nutzen, um andere Quantensysteme, zum Beispiel Moleküle, digital zu simulieren. Das ist sehr interessant für die Groß- und Prozesschemie. Denn hier ist es wichtig zu verstehen, wie ein chemischer Prozess abläuft. Ein optimierter Prozess kann auch CO2-Emissionen senken.

Ein Beispiel ist die Stickstofffixierung, die zum Herstellen von Düngern wichtig ist. Wenn man Luftstickstoff binden will, muss man eine Dreifachbindung aufbrechen. Derzeit verwenden Menschen dafür das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren, das künstliche Dünger erst möglich gemacht hat, jedoch enorm hohe Temperaturen erfordert und eine große Menge CO2 erzeugt.

Pflanzen schaffen den gleichen Prozess jedoch mit ihrem Blattgrün bei Zimmertemperatur. Und man versteht trotz jahrzehntelanger Forschung nicht genau, wie sie das machen. Quantencomputer können helfen, diesen Prozess zu modellieren. Wenn man das Geheimnis der Pflanzen lüftet, könnte man mit einem solchen Niedrig-Temperatur-Prozess viel Energie und CO2 einsparen. Für klassische Computer sind solche Berechnungen völlig außer Reichweite. Deutsche Firmen wie BASF sind übrigens deshalb sehr an Quantencomputern interessiert, da sie auch das wirtschaftliche Interesse haben, weniger Energie zu verbrauchen.

Forschungszentrum Jülich

42: Wann können wir mit Quantencomputern für einen großen Teil der Bevölkerung rechnen bzw. wann werden die ersten Auswirkungen spürbar?

Prof. Wilhelm-Mauch: Das würden wir alle gerne wissen. Bis Quantencomputer zu Hause unter dem Schreibtisch stehen, wird noch viel Zeit vergehen. Aber hoffentlich wird man in den nächsten 10 bis 15 Jahren Produkte sehen, bei deren Entwicklung Quantencomputer eine Rolle gespielt haben.

Meine Vermutung ist, dass Quantencomputer sich als Erstes im Hintergrund bemerkbar machen, zum Beispiel in Datenzentren. Eine Einsatzmöglichkeit sehe ich bei Routenplanungen für Staus. Das sind Fragestellungen, bei denen Optimierungsbedarf herrscht. Normale Computer bekommen das vielleicht schon hin, aber sie brauchen dafür fünf Stunden, was ja bei Staus durchaus relevant ist. Ich bin zuversichtlich, dass ich das noch erlebe!

Forschungzentrum Jülich

Forschungszentrum Jülich/ Ralf-Uwe Limbach

Zur Person: Prof. Frank Wilhelm-Mauch ist Leiter des Institutsbereichs für Quantum Computing Analytics am Forschungszentrum Jülich. Seit Oktober 2018 koordiniert er das Projekt OpenSuperQ als Teil einer großangelegten europäischen Quanten-Initiative mit dem Ziel einen europäischen Quantencomputers am Forschungszentrum Jülich zu bauen.

 

Von Ella Steiner

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